Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 92 Abs. 2 SGG enthält zwei verschiedene Handlungsvorgaben an den Vorsitzenden für den Fall einer den zwingenden Anforderungen des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht genügenden Klage: Abs. 2 Satz 1 enthält die Verpflichtung des Vorsitzenden ("hat"), den Kläger zur Ergänzung seiner Klageschrift unter Fristsetzung zu veranlassen. Dem gegenüber ist in Abs. 2 Satz 2 die in das Ermessen des Vorsitzenden gestellte ("kann") Möglichkeit geregelt, diese Fristsetzung mit ausschließender Wirkung - mit der Folge, dass die Klage nach Fristablauf unzulässig ist - zu versehen. Dabei hat der Vorsitzende sein Ermessen pflichtgemäß unter Beachtung der Grundsätze der Barriere- und Formfreiheit auszuüben und er ist verpflichtet, eine am Einzelfall orientierte, sachgerechte und begründete Entscheidung zu treffen, die etwa das Fehlen anwaltlicher Vertretung oder die intellektuellen Möglichkeiten eines unvertretenen Klägers berücksichtigt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 25.06.2009 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht Konstanz zurückverwiesen.
Tatbestand
Am 03.03.2009 ist beim Sozialgericht Konstanz das Schreiben des 1963 geborenen Klägers vom 01.03.2009 eingegangen, in dem er mit Bezug auf “Ihr Zeichen 208 90231 U„ Widerspruch “gegen ihr Schreiben vom 11.02.2009„ eingelegt hat. Im übrigen Text wendet sich der Kläger gegen das Ergebnis einer Untersuchung in der Universitätsklinik H. und behauptet, seit einem Wechsel seiner Stelle keine Hautprobleme mehr zu haben. Weiteres ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, weder zu der Frage, wogegen sich der Kläger inhaltlich wendet noch dazu, von wem das in Bezug genommene Schreiben vom 11.02.2009 stammt. Da die Verwaltung des Sozialgerichts den Vorgang nicht hat zuordnen können, hat sie den Kläger um Mitteilung gebeten, gegen wen sich der Widerspruch richte, was er erreichen wolle und ihn aufgefordert, das erwähnte Schreiben vom 11.02.2009 in Kopie vorzulegen. Nachdem keine Antwort beim Sozialgericht eingegangen war, ist der Vorgang als ein Verfahren sonstiger Art (SF-Verfahren) angelegt worden und der Kläger ist mit Schreiben vom 31.03.2009 “nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz förmlich„ aufgefordert worden, mitzuteilen, gegen wen sich seine Klage richte und was sein Klagebegehren sei. Es genüge, so das Schreiben weiter, wenn er das von ihm beanstandete Schreiben der Behörde in Kopie vorlege. Hierzu ist dem Kläger “gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz„ eine Frist von einem Monat ab - am 03.04.2009 erfolgter - Zustellung des Schreibens gesetzt und er ist darauf hingewiesen worden, dass seine Klage nach fruchtlosem Ablauf der Frist als unzulässig abgewiesen werden könne.
Da der Kläger nicht geantwortet hatte, hat das Sozialgericht (Verfügung des Vorsitzenden vom 14.05.2009) darauf hingewiesen, dass er innerhalb der gesetzten Frist weder mitgeteilt habe, gegen wen sich die Klage richte noch was er mit ihr erreichen wolle. Die Klage dürfte - so die Verfügung - daher unzulässig sein. Es könne - was hinsichtlich der Voraussetzungen und der Folgen näher beschrieben worden ist - durch Gerichtsbescheid entschieden werden und dies sei auch beabsichtigt. Um ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben, werde die Entscheidung nicht vor Ablauf von drei Wochen ab Zugang des Schreibens ergehen. Ein derartiger Zugang ist aus den Akten nicht zu entnehmen, eine Zustellung ist nicht erfolgt, der Absendevermerk trägt das Datum des 26.05.2009.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2009 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, weder Klagegegner noch Klageziel ließen sich eindeutig bestimmen. Das Gericht könne durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt “im Rahmen des Möglichen„ geklärt sei. Mit dem - am 05.06.2009 anderweitig anhängig gewordenen - Verfahren des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft d. B. (S 2 U 1555/09) habe sich keine Übereinstimmung in Bezug auf das vom Kläger angegebene Aktenzeichen und das erwähnte Schreiben ergeben und es gehe dort auch nicht um Hautprobleme. Dem entsprechend habe das Gericht nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zu der erforderlichen Ergänzung der Klageschrift aufzufordern gehabt. Dies sei mit dem Schreiben vom 31.03.2009 geschehen, ohne dass der Kläger hierauf reagiert habe. Somit sei die Ausschlussfrist nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG fruchtlos abgelaufen, ohne dass Gründe für die Wiedereinsetzung erkennbar seien.
Gegen den ihm am 06.07.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.07.2009 Berufung eingelegt. Auf Nachfrage hat er mitgeteilt, er sei von der Berufsgenossenschaft f. F. (Beklagte) in das Universitätsklinikum H. geschickt worden und mit dem dortigen Ergebnis nicht einverstanden. Die weiteren Nachforschungen haben ergeben, dass die Beklag...