Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entscheidet, ohne sichergestellt zu haben, dass die Beteiligten hierzu zuvor angehört worden sind. Ein derartiger Verfahrensfehler rechtfertigt die Aufhebung des Gerichtsbescheides und die Zurückverweisung der Sache.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgericht Konstanz vom 15.05.2009 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht Konstanz zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 5101).
Mit Bescheid vom 08.05.2006 und Widerspruchsbescheid vom 07.11.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 5101 insbesondere mit der Begründung ab, die bestehenden Hautbeschwerden hätten nicht zur Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma B. I. GmbH gezwungen.
Hiergegen hat der Kläger am 05.12.2006 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben. Nachdem eine Klagebegründung nicht vorgelegt worden war, hat der Vorsitzende am 06.07.2007 verfügt: “GB ankündigen - Frist: 10.08.2007„. Nach der Verfügung findet sich der Vermerk “ausgefertigt/abgesandt am: 06.07.2007„, wobei ein Abdruck der ausgefertigten Verfügung nicht in der Akte des Sozialgerichts enthalten ist und weder eine Zustellung mittels Postzustellungsurkunde noch mittels Empfangsbekenntnis vorgenommen worden ist. Den Schriftsatz der Beklagten vom 23.07.2007, in welchem diese ausgeführt hat, dass keine Bedenken bestünden, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat das Sozialgericht mit Schreiben vom 25.07.2007 zur Kenntnis an den Klägerbevollmächtigten übersandt, gleichfalls einen von der Beklagten am 09.05.2008 übersandten Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. K. /Dr. W. , Hautärzte, mit Schreiben vom 16.05.2008.
Mit dem Klägerbevollmächtigten am 26.05.2009 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 15.05.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 22.06.2009 Berufung mit dem vorrangigen Ziel einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht eingelegt und einerseits geltend gemacht, bei ihm liege eine beruflich bedingte Hauterkrankung vor, derentwegen er seine Tätigkeit bei der Firma B. I. tatsächlich habe aufgeben müssen. Andererseits hat der Kläger vorgetragen, das Sozialgericht hätte, bevor es ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden habe, eine Anhörung durchführen müssen, was nicht geschehen sei. Deshalb liege ein Verfahrensfehler vor, der zu einer Rückgabe der Sache zur erneuten Entscheidung durch das Sozialgericht führen müsse.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15.05.2009 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat dem Senat das bei ihr am 12.07.2007 eingegangene Schreiben des Sozialgerichts Konstanz vom 06.07.2007 vorgelegt. Darin ist ausgeführt:
“Das Gericht beabsichtigt gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Sie können sich bis ask(Datum einsetzen) hierzu äußern.„
Der Klägerbevollmächtigte hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, er habe am 10.05.2007 ein Schreiben des Sozialgerichts vom 07.05.2007 erhalten, in dem nochmals um Abgabe einer Klagebegründung gebeten worden sei. Am 31.07.2007 habe er eine Mitteilung des Sozialgerichts vom 25.07.2007 erhalten. Beigefügt gewesen sei ein Schreiben der Beklagten vom 23.07.2007, in dem mitgeteilt worden sei, dass keine Bedenken bestünden, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Als nächstes habe er ca. zehn Monate später den Bericht der Gemeinschaftspraxis K. /W. zur Kenntnis und dann mehr als ein Jahr später, nämlich am 26.05.2009 den Gerichtsbescheid vom 15.5.2009 erhalten. Aus allen diesen Schreiben sei kein Hinweis des Sozialgerichts zu entnehmen, dass durch Gerichtsbescheid entschieden werden solle.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Diese Möglichkeit eröffnet § 159 Abs. 1 SGG u.a. dann, wenn (Nr. 2) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Meyer-Ladewig, Kommentar SGG, ...