Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Anerkennung als Belegarzt. persönliche Voraussetzungen. Erreichbarkeit der Belegklinik innerhalb von 30 Minuten. kooperative Zusammenarbeit mit anderem Vertragsarzt
Leitsatz (amtlich)
Die Anerkennung als Belegarzt erfordert, dass die Belegklinik sowohl vom Praxissitz als auch von der Hauptwohnung innerhalb von 30 Minuten typischerweise erreicht werden kann. Dass der Arzt mit einem anderen Vertragsarzt kooperativ im Rahmen seiner Tätigkeit als Belegarzt zusammenarbeiten will, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Orientierungssatz
Die Belegarztanerkennung ist stets personenbezogen zu prüfen und zu erteilen. Es ist Sache der Partner der Bundesmantelverträge, die Voraussetzungen der Anerkennung als Belegarzt zu modifizieren, wenn das ihnen im Hinblick auf die Tätigkeiten von Ärzten in (überörtlichen) BAGen und MVZ zur künftigen Gewährleistung der belegärztlichen Tätigkeit geboten erscheint (Anschluss an BSG vom 17.3.2021 - B 6 KA 6/20 R = SozR 4-5540 § 39 Nr 1).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.09.2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € endgültig festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Klägers als Belegarzt an der Klinik E. H..
Der 1969 geborene Kläger ist Facharzt für Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Sportmedizin. Er hat einen Erstwohnsitz in der S.-Straße in D. und seit dem 01.11.2015 einen Zweitwohnsitz in der F. Straße in H.. Er betreibt zusammen mit dem Facharzt für Plastische Chirurgie C., der bereits seit dem Jahr 2010 als Belegarzt in der Klinik E. H. im Bereich der klassischen Chirurgie tätig und als Vertragsarzt zugelassen ist, eine Praxis in der M.-Straße in H. in unmittelbarer Nähe zur Klinik E. H. (M.-Straße -). Zudem ist der Kläger an dem E.1 Krankenhaus D. vier Stunden pro Woche und bei Bedarf auch an der Thorax Klinik H. honorarärztlich tätig. In D. operiert er regelmäßig mittwochs.
Die Klinik E. H. veröffentlichte in der Ausgabe Juni 2015 des Ärzteblattes Baden-Württemberg eine Anzeige, wonach sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Belegarzt/ärztin für Plastische Chirurgie suche. Mit Schreiben vom 11.08.2015, eingegangen bei der Beklagten am 08.10.2015, beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung als Belegarzt an der Klinik E. H..
Dem Antrag waren unter anderem die Erklärung der Klinik E. vom 30.09.2015 über die Gestattung belegärztlicher Tätigkeit und die Zurverfügungstellung von vier Belegbetten und ein Auszug des Belegarztvertrages mit der Klinik E. H. beigefügt. Im Antrag gab der Kläger an, er werde die Belegbetten in Kooperation mit Herrn C. nutzen, mit dem er bereits seit Juli 2010 praktiziere.
Am 16.11.2015 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (Regierungsbezirk Karlsruhe) die Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag als Facharzt für Plastische Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Handchirurgie für den Vertragsarztsitz in H. (M.-Straße) im Rahmen einer belegärztlichen Sonderzulassung nach § 103 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Geplant sei eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit C. ab dem 01.01.2016. Im weiteren Schriftverkehr mit der Beklagten teilte die damalige Klägerbevollmächtigte mit, dass der Kläger gegebenenfalls eine Honorararzttätigkeit zu Gunsten der Genehmigung der Belegarzttätigkeit aufgeben würde.
Die Beklagte beteiligte die nachfolgend mit Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 17.09.2018 beigeladenen Krankenkassen zu 1) bis 5) hinsichtlich der Anträge des Klägers. Die Beigeladenen stimmten dem Antrag unter der Voraussetzung zu, dass der Zulassungsausschuss der Sonderbedarfszulassung gemäß § 103 Abs. 7 SGB V zustimme. Inwieweit sich die honorarärztlichen Tätigkeiten mit der Tätigkeit im Rahmen der beantragten Sonderbedarfszulassung sowie den Pflichten als Belegarzt vereinbaren ließen, könne von den Beigeladenen nicht geprüft werden.
Mit Bescheid vom 21.09.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Belegarzt an der Klinik E. H. ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Zweifel an der Eignung als Belegarzt nach § 39 Abs. 5 Bundesmantelvertrag-Ärzte ≪BMV-Ä≫ nicht ausgeräumt hätten werden können. Es bestünden Zweifel an der Vereinbarkeit der Nebentätigkeit im E.1 Krankenhaus D. im Umfang von vier Wochenstunden mit der belegärztlichen Tätigkeit in der Klinik E. H.. Die beiden Krankenhäuser seien ca. 43 Kilometer voneinander entfernt. Im Notfall würde es einer reinen Wegezeit von 41 Minuten bedürfen, um das Belegkrankenhaus zu erreichen. Dabei sei auch die Art der Nebentätigkeit zu berücksichtigen. Dies insbesondere dann, wenn eine Nebentätigkeit des Belegarztes diesen zeitlich wie tatsächlich so einbinde, dass er dem Belegpatienten für eine gewisse...