Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. operativ tätiger Chirurg. Residenzpflicht. Nebentätigkeit. Anerkennung als Belegarzt
Leitsatz (amtlich)
1. Der Residenzpflicht genügt nicht, wer als operativ tätiger Chirurg nicht innerhalb von 30 Minuten von seiner Wohnung aus das Belegkrankenhaus erreichen kann.
2. Zu Nebentätigkeiten, die der Anerkennung als Belegarzt entgegenstehen.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 5.11.2003 - B 6 KA 2/03 R = SozR 4-2500 § 24 Nr 1 RdNr 33 mwN.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch darauf hat, als Belegarzt an einer Klinik in H. vertragsärztlich tätig zu werden.
Der 1969 geborene Kläger ist Facharzt für plastische Chirurgie und verfügt über einen Erstwohnsitz in X und über einen Zweitwohnsitz (seit dem 01.11.2015: ein möbliertes Zimmer im Gebäude der Klinik) am Klinikort. Er übt seine Praxis am Klinikort in Gemeinschaft mit Herrn Dr. C. aus, der bereits seit dem Jahr 2010 als Belegarzt in der Klinik im Bereich der klassischen Chirurgie tätig und als Vertragsarzt zugelassen ist. Zudem ist der Kläger an einem Krankenhaus in X 4 Stunden pro Woche und bei Bedarf auch an einer Thoraxklinik honorarärztlich tätig. In X an der Klinik operiert er regelmäßig mittwochs.
Die Klinik in H. veröffentlichte in der Ausgabe Juni 2015 des Ärzteblattes Baden-Württemberg eine Anzeige, wonach sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Belegarzt/ärztin für plastische Chirurgie suche. Mit Schreiben vom 11.08.2015 (Eingang bei der Beklagten: 08.10.2015) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung als Belegarzt an der Klinik. Dem Antrag waren u.a. die Erklärung der Klinik vom 30.09.2015 über die Gestattung belegärztlicher Tätigkeit und die Zurverfügungstellung von vier Belegbetten und ein Auszug des Belegarztvertrags mit der Klinik beigefügt. Im Antrag gab der Kläger an, er werde die Belegbetten in Kooperation mit Herrn Dr. C. nutzen, mit dem er bereits seit Juli 2010 (zunächst in der Praxis für plastische Chirurgie und Handchirurgie am X und seit Dezember 2014 in Gemeinschaftspraxis) praktiziere.
Am 16.11.2015 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (Regierungsbezirk Karlsruhe) die Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag als Facharzt für plastische Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Handchirurgie für den Vertragsarztsitz in H. im Rahmen einer Sonderzulassung nach § 103 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Geplant sei eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Dr. C. ab dem 01.01.2016.
Mit Schreiben vom 30.11.2015 teilte die Beigeladene Ziff. 2 mit, sie könne dem Antrag des Klägers auf Zulassung zur belegärztlichen Tätigkeit in der Klinik nicht zustimmen, da seine Wohnung in X 44,7 km entfernt und die maximale Fahrtzeit von 30 Minuten überschritten werde. Diese Schreiben ergehe zugleich Namens und im Auftrag der Beigeladenen Ziff. 3 und der Beigeladenen Ziff. 5. Der Kläger legte daraufhin die Meldebestätigung der Stadt H. vom 19.11.2015 vor, wonach er seit dem 01.11.2015 mit einer Nebenwohnung in H. gemeldet sei. Sodann erklärte die Beigeladene Ziff. 1 mit Schreiben vom 04.12.2015 ihre (und die der Beigeladenen Ziff. 3 und 5) Zustimmung zum Antrag des Klägers auf belegärztliche Tätigkeit, unter der Voraussetzung, dass der Zulassungsausschuss der Sonderbedarfszulassung zustimme. Mit Schreiben vom 08.12.2015 stimmte die Beigeladene Ziff. 1 (auch im Namen der Beigeladenen Ziff. 4) dem Antrag des Klägers auf belegärztliche Tätigkeit zu.
Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 14.02.2016 auf, zur postoperativen Versorgung und Betreuung von stationären Patienten Stellung zu nehmen, wenn er an insgesamt vier verschiedenen Standorten tätig werde. Der Kläger teilte hierauf mit (Schreiben vom 25.02.2016), dass er nach der Anerkennung als Belegarzt nur an drei Standorten tätig werden, da seine Praxisräume auf dem Gelände der Klinik errichtet würden. Er beabsichtige seine Haupttätigkeit als niedergelassener Facharzt für plastische Chirurgie in Kombination mit seiner Belegarzttätigkeit an der Klinik auszuüben. Hierfür sei er auch bereit, seine Tätigkeit an der Thoraxklinik und/oder in X einzustellen. Derzeit verdiene er jedoch einen Teil seines Lebensunterhaltes mit diesen Tätigkeiten. Ihm werde am Krankenhaus in X immer mittwochs ein entsprechendes OP-Kontingent zur Verfügung gestellt. Die postoperative Betreuung dieser Patienten erfolge durch die Kollegen vor Ort. Mit weiterem Schreiben vom 29.03.2016 teilte er mit, die Klinik werde ihm immer donnerstags und Dr. C. an jedem Montag ein OP-Kontingent einräumen. Sofern er eine große Operation, wie z.B. eine Mammarekonstruktion mit einem anschließenden stationären Aufenthalt der Patientin von durchschnittlich fünf Ta...