Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Parteivernehmung. Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. Bizepssehnenruptur
Orientierungssatz
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine "Parteivernehmung" mangels Bezugnahme des § 118 Abs 1 SGG auf die §§ 445 ff ZPO nicht vorgesehen.
2. Unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur kann zwar das Abfangen eines Sturzes oder das Nachfassen einer schweren Last, nicht aber das kräftige Anpacken der Oberarme durch einen Arbeitskollegen zu einer Bizepssehnenruptur führen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung der Folgen eines Arbeitsunfalles streitig.
Der am 03.10.1928 geborene Kläger war als Montagearbeiter bei der Firma M beschäftigt und wurde an wechselnden Baustellen eingesetzt. Im Februar 1989 sprang ihm an einer Baustelle bei der Arbeit ein unter Druck stehender, vibrierender Preßluftschlauch gegen das linke Auge. Wegen der hierbei erlittenen rißförmigen Hornhautverletzung links wurde er in Künzelsau ärztlich versorgt (DA-Bericht der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses K vom 10.02.1989, Bericht von Augenarzt Dr. M vom 09.02.1989).
Am 29.05.1989 suchte der Kläger Dr. E, Orthopäde in H, auf, bei dem er bereits seit 1982 mehrfach wegen eines chronisch-rezidivierenden Schulter-Arm-Syndroms behandelt worden war. Dr. E bescheinigte dem Kläger Arbeitsunfähigkeit ab 29.05.1989 wegen eines Zustands nach einem alten Abriß der langen Bizepssehne beidseits. Gegenüber der Betriebskrankenkasse (BKK) Demag Fördertechnik gab der Kläger an, es handele sich hierbei um die Folgen eines Arbeitsunfalles. Auf Veranlassung der BKK leitete die Beklagte deshalb Ermittlungen ein.
Der Kläger machte zum Unfallzeitpunkt unterschiedliche Angaben. Im Unfallfragebogen der Beklagten gab er an, im März/April 1989, den genauen Tag könne er nicht angeben, habe er sich bei schwerer Arbeit beide Oberarme verletzt, aber weitergearbeitet. Im Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 13.06.1991 ließ er vortragen, er habe im Mai 1989 auf dem Gelände der Firma Opel in Rüsselsheim Montagearbeiten auf einem Stahlträger ausgeführt, wobei er abzustürzen drohte. Deshalb habe ihn ein Arbeitskollege hart an den Oberarmen gepackt, was zum Riß der beiden Bizepssehnen geführt habe. Dieser Vorgang habe am 28.05.1989 in Gegenwart von Richtmeister S und Baustellenführer B (gemeint: B) stattgefunden. Unter dem 14.01.1993 ließ der Kläger vortragen, der Unfall habe während der Ausführung von Reparaturarbeiten am 27.05.1989 stattgefunden; am folgenden Tag seien die Restarbeiten durchgeführt worden, an denen er zusammen mit B und einer dritten Person teilgenommen habe, an deren Namen er sich nicht mehr erinnern könne.
Die Beklagte zog Auskünfte der Firma M bei, die auch die Stundenbelege für den Kläger und die Arbeitnehmer B und S vorlegte. Danach hatten der Kläger und sein Arbeitskollege B nur am 26. und 27.05.1989 an der Baustelle bei Opel in Rüsselsheim gearbeitet, der Zeuge S dagegen nur am 26. und 29.05.1989. Die Beklagte befragte die Arbeitskollegen S, B (Angaben vom 06.08. und 11.08.1993 sowie 17.11.1994) und N Von Dr. E zog die Beklagte außerdem die Auskünfte vom 28.06.1989, 26.02.1992 und 21.04.1993 bei, dieser legte auch einen Arztbrief von Dr. J, Internist in H, vom 31.07.1989 vor, in dem ein frischer Bizepssehnenriß rechts nach einem kürzlich erlittenen Betriebsunfall erwähnt wird. Dr. E berichtete, im Juni 1989 habe ihm der Kläger von einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle in Künzelsau berichtet, der sich angeblich im März oder April ereignet habe und bei dem der Kläger durch einen herabfallenden Eisenträger am Arm verletzt worden sei. Die Beschwerden hätten sich nach Wochen verstärkt. Unter dem 21.04.1993 gab Dr. E an, der Kläger habe einen Arbeitsunfall in Künzelsau angeblich im Februar/März 1989 erlitten.
Der Kläger hielt nach Kenntnis dieser Unterlagen daran fest, Sch. sei am 27.05.1989 auf der Baustelle in Rüsselsheim dabei gewesen und habe ihn wegen des drohenden Absturzes an den Armen gepackt; er selbst habe noch am 28.05.1989 auf dieser Baustelle gearbeitet.
Die Beklagte beauftragte Dr. K Chirurg in S, mit der Begutachtung des Klägers. Auf der Grundlage des vom Kläger geschilderten Unfallhergangs gelangte Dr. K zu dem Ergebnis, das feste Anfassen an beiden Oberarmen, wie es der Kläger auch ihm gegenüber beschrieben habe, sei in keiner Weise geeignet, eine Fehlbelastung der langen Bizepssehne und ihren Riß zu verursachen; das angeschuldigte Ereignis sei hierfür nur eine Gelegenheitsursache. Dagegen sprächen die von ihm gefundenen degenerativen Veränderungen der Glenohumeralgelenke für das Vorliegen eines Knorpelschadens schon 1989. Dieser sei die rechtlich-wesentliche Ursache für die Bizepssehnenrupturen.
Mit Bescheid vom 15.01.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 27.05.1989 ab, weil ein Arbeitsunfall an diesem Tag nicht erwiesen sei und das geschilderte Ereignis kei...