Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung. teilweise Rücknahme des ursprünglichen Honorarbescheides. Nichtanwendung des § 45 SGB 10. kein Vertrauensschutz des Vertragsarztes vor endgültiger Prüfung des Honorarbescheides. Honorierungsregelungen in Kap Q Abschn I Nr 7 EBM-Ä sind rechtmäßig. Beschränkung der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsbefugnis. Einschränkung nur auf kleinere Anteile der Honorarabrechnung
Orientierungssatz
1. Die Befugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bedeutet im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des ursprünglichen Honorarbescheides.
2. Durch die Einfügung von § 106a in das SGB 5 ist eine Änderung der zuvor durch die genannten Bestimmungen der Bundesmantelverträge geregelten sachlich-rechnerischen Berichtigung weder hinsichtlich deren Voraussetzungen noch hinsichtlich deren Rechtsfolgen erfolgt.
3. Die Bestimmungen über die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung, ärztliche Honoraranforderung und Honorarbescheide wegen sachlich-rechnerischer Fehler nachträglich zu korrigieren, verdrängen in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 SGB 10 (vgl BSG vom 30.6.2004 - B 6 KA 34/03 R = BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11)
4. Ein Vertragsarzt kann im Hinblick auf die Besonderheiten der Honorarverteilung auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen (vgl BSG vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R = BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42)
5. Gegen die Honorierungsregelungen in Kap Q Abschn 1 Nr 7 EBM-Ä bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl BSG vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R = BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2)
6. Eine Beschränkung der Anwendung der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsbefugnis unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ergibt sich, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischer Richtigstellung bereits "verbraucht" hatte (vgl BSG vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R = BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22).
7. Mit der Einschränkung der sachlich-rechnerischen Richtigstellung auf nur "kleinere Anteile" soll dem Vertrauensschutz des gutgläubigen Arztes vor gravierenden nachträglichen Honoraränderungen Rechnung getragen werden (vgl BSG vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R aaO). Diese Begrenzung kann aber nicht in den Fällen gelten, in denen die Neuberechnung und Rückforderung auf der erst nachträglichen Kenntnis einer Kassenärztlichen Vereinigung von Fehlvergütungen beruht, die von den abrechnenden Vertragsärzten aber schon früher, nämlich bei Erhalt der Honorarabrechnung unschwer hätten erkannt werden können.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2008 insoweit aufgehoben, als das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 bezüglich der Neuberechnung des Quartals 2/98 aufgehoben hat, und wird die Klage auch insoweit abgewiesen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 1.093.333,20 € festgesetzt.
Beschluss des Vorsitzenden vom 11.05.2009:
Wegen eines Rechenfehlers (Abzug von DM-Beträgen von Euro-Beträgen) wird die Streitwertfestsetzung gemäß § 138 SGG wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend korrigiert, dass der Streitwert auf 1.181.680,30 € festgesetzt wird.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Kürzung des Honorars der Kläger für die Quartale 1/98 bis einschließlich 4/00 im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung.
Die Kläger Ziff. 1, 2 und 4 waren im streitigen Zeitraum als Fachärzte für Radiologische Diagnostik in Gemeinschaftspraxis in unterschiedlicher Zusammensetzung in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Klägerin Ziff. 3 ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des im Jahre 2002 verstorbenen Mitgliedes der Gemeinschaftspraxis Dr. W.
Sie rechneten in den streitigen Quartalen u. a. die Gebührennummern (GNR) 5210 und 5211 sowie 5520 und 5521 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) ab. Die GNR 5210 und 5211 stehen im Abschnitt Q I. 7. des EBM. Dieser mit "Computertomographie" überschriebene Abschnitt enthält vor GNR 5210 und 5211 folgende allgemeine Regelung:
"Die nach Abschnitt Q I. 7 abgerechneten Scans (computertomographische Schnittbilder) sind mit Ausnahme der Leistung nach Nr. 5221 nur bis zu einer begrenzten Gesamtscanzahl berechnungsfähig. Für jeden kurativ-ambulanten Behandlungsfall, in dem CT-Leistungen nach den Nummern 5210 oder 5211 abgerechnet werden, wird die begrenzte Gesamtscanzahl nicht um die Zahl der tatsächlich abgerechneten Scans, sondern um die Anzahl erhöht, die für die untersuchten Körperregionen jeweils festgesetzt ist (25 Sc...