Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenerstattung bei Unterbringung in einer anderen Familie. Anwendungsbereich

 

Leitsatz (amtlich)

§ 107 SGB XII kommt bei der Familienpflege von Kindern und Jugendlichen nicht nur dann zum Tragen, wenn die Familienpflege als Leistung des SGB XII erbracht wird.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts M. vom 7. Mai 2013 wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für S. M. in der Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 40,53 Euro zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der von ihr in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 in Höhe von 12.140,33 € erbrachten Sozialhilfeaufwendungen für S. M. (M.) gegen den Beklagten bzw. den Beigeladenen hat.

Die am ... Dezember 1995 geborene M. lebte im Jahr 2006 im Haushalt ihrer Mutter im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen in O., H.-Straße. Am 4. Mai 2006 wurde sie von ihrer Mutter bei dem Polizeiposten B. F. als vermisst gemeldet; M. sei seit dem 4. April 2006 nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Ausweislich des Ermittlungsberichts der Polizeidirektion H. hatte die Mutter angegeben, M. sei mit einer Frau ständig unterwegs und würde den Aufenthalt wechseln, um dadurch zu verhindern, dass sie wieder zur Mutter zurückgebracht werde. Am 16. Februar 2007 sei der aktuelle Aufenthaltsort von M. ermittelt worden, und zwar bei ihrem Halbbruder M. L. (L.) in M., P.-Allee. Durch das Jugendamt H. sei bereits im Vorfeld signalisiert worden, dass M. dort belassen werden könne, solange für das Kindeswohl keine Gefahr bestehe. Die Mutter, welche auch das Sorgerecht habe, sei mit dieser Entscheidung einverstanden. Auf Grund der bisherigen Ermittlungen stehe fest, dass sich M. freiwillig an dem nun ermittelten Aufenthaltsort befinde. Bisher stehe nicht fest, wo und bei welchen Personen sich das vermisste Kind zwischenzeitlich aufgehalten habe.

Am 28. Februar 2007 wurde M. durch L. in M. polizeilich gemeldet. Als Tag des Einzugs wurde der 1. Januar 2007 angegeben. Die Mutter von M. erklärte unter dem 2. Februar 2009, sie sei damit einverstanden, dass M. bei L. lebe. Sie übertrage alle Rechte und Pflichten für M. auf diesen. In der Folgezeit wohnte M. bei L. und dessen Partnerin bzw. jetzigen Ehefrau. Für die Wohnung war im Jahr 2007 eine Bruttowarmmiete i.H.v. 644,71 € monatlich zu entrichten; darin enthalten waren Kosten für einen Stellplatz i.H.v. 35,79 €. Zum 1. November 2009 erfolgte bei gleichbleibender Stellplatzmiete eine Mieterhöhung auf 714,71 €. Im September 2009 war eine Nebenkostennachforderung von 483,25 € zu zahlen.

Am 28. März 2007 stellte L. beim Jobcenter M. den Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gab hierbei M. als mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende weitere Person an. Unter Hinweis darauf, dass M. nicht zum Haushalt des L. gehöre, wurden für diese vom Jobcenter M. keine Leistungen bewilligt.

Mit Bescheid vom 10. November 2010 bewilligte die Klägerin der M. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 16. August 2010 bis 4. Dezember 2010 (August 2010: 162,11 €, September 2010: 314,10 €; Oktober 2010: 410,87 €; November 2010: 314,10 €; Dezember 2010: 40,53 €).

Hiergegen legte M. am 3. Dezember 2010 Widerspruch ein mit der Begründung, ein Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sei bereits im Januar 2007 gestellt worden. Mit Abhilfebescheid vom 20. Juni 2011 sowie Änderungsbescheid vom 26. Juli 2011 bewilligte die Klägerin der M. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 28. März 2007 bis 15. August 2010.

Mit Schreiben vom 17. November 2010 machte die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen Kostenerstattung gemäß § 107 SGB XII für die seit dem 16. August 2010 erbrachten Leistungen geltend. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 erinnerte die Klägerin den Beigeladenen an den Erstattungsanspruch und teilte weiter mit, es seien zudem Leistungen vom 28. März 2007 bis 15. August 2010 gewährt worden. Hierfür werde ebenfalls Erstattung gemäß § 107 SGB XII geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 13. September 2011 lehnte der Beigeladene eine Erstattung ab mit der Begründung, eine dortige Zuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn M. innerhalb eines Monats nach Verziehen Sozialhilfe erhalten hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. M. habe bereits am 20. April 2006 den Bezirk des Beigeladenen verlassen. Ihr zwischenzeitlicher Aufenthalt sei nicht bekannt. Erst im Februar 2007 sei ermittelt worden, dass sie sich seit wenigstens 1. Januar 2007 bei ihrem “Onkel„ im Zuständigkeitsbereich der Kläger...

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