Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch auf Implantation einer intraokularen Kontaktlinse bei Keratokonus und Astigmatismus auch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Neue Behandlungsmethode. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Systemversagen. Seltene Erkrankung. Grundrechtsorientierte Auslegung. Notstandsähnliche Situation. Beeinträchtigung der Sehfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Versicherte der GKV, die an einem Keratokonus sowie einem Astigmatismus leiden, haben keinen Anspruch auf Implantation einer intraokularen Kontaktlinse.
Orientierungssatz
Keratokonus sowie Astigmatismus hat zwar durchaus gravierende Folgen, verursacht aber nicht eine notstandsähnliche Extremsituation, in denen das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemeinen Regeln zu modifizieren wäre.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 1a, § 27 Abs. 1 S. 2, § 33 Abs. 9, § 135 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.06.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf Implantation zweier Intraokularlinsen geltend.
Der am … 1971 geborene Kläger leidet an einem Keratokonus auf beiden Augen (laut Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Auflage, S 977, eine kegelförmige Vorwölbung der Hornhaut) sowie einem Astigmatismus (laut Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 261. Auflage, S 165, Stabsichtigkeit bzw Brennpunktlosigkeit). Im Jahr 1994 erfolgte am rechten Auge und im Jahr 1995 am linken Auge eine Keratoplastik (Hornhauttransplantation). Nach wieder eingetretener Verschlechterung des Astigmatismus erfolgte am 02.04.2007 am rechten Auge und am 03.07.2007 am linken Auge eine Femto Lasik Astigmatismuskorrektur. Nach zwischenzeitlicher Verbesserung der Sehschärfe betrug diese am 25.01.2013 auf beiden Augen 80 % mit Werten rechts -4,5/-5,5/52° und links +1,5/-5/80°. Der Kläger trägt zum Ausgleich der Sehschwäche eine Brille. Er ist bei der Kreissparkasse L. als Angestellter beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Der Kläger beantragte am 22.03.2011 die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Implantation einer intraokularen Kontaktlinse (ICL) und legte hierzu einen Kostenvoranschlag des Augenlaserzentrums H., Institut für refraktive Laser- und Augenchirurgie, über einen voraussichtlichen Betrag von 3.938,80 € vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.04.2011 ab.
Der Kläger legte hiergegen am 14.04.2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, dass die begehrte Implantation die einzige Möglichkeit sei, die Hornhautverkrümmungen auszugleichen und eine weitere Hornhauttransplantation zu vermeiden. Der Kläger legte einen Bericht von Prof. Dr. D. vom Augenlaserzentrum H. vor, in dem dieser ausführt, dass eine Vollkorrektur des Astigmatismus durch eine Brille wegen des großen Unterschieds zwischen rechtem und linkem Auge nicht in Betracht komme. Auch Kontaktlinsen seien nicht vertragen worden. Als Vollkorrektur mit einer Sehkraft von 80 - 100 % komme nur die Implantation von implantierbaren Kontaktlinsen (ICL) in Frage. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 zurück und führte zur Begründung aus, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne, da der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) refraktiv-chirurgische Eingriffe ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen habe. Die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie seien somit den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen und nach der Ziffer 13 der Anlage II der Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich nicht als Untersuchungs- und Behandlungsmethode anerkannt. Die Richtlinien des GBA seien verbindlich. Zudem habe das Bundessozialgericht (BSG) am 05.05.2009 (Aktenzeichen B 1 KR 15/08 R) in einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, dass kein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe.
Der Kläger hat am 27.09.2011 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass eine erneute Hornhauttransplantation ein Vielfaches mehr kosten würde und außerdem in § 33 Abs 9 SGB V Intraokularlinsen ausdrücklich aufgeführt seien.
Das SG hat Prof. Dr. D. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 24.05.2012 ausgeführt, die Refraktionswerte könnten nicht voll mit einer Brille ausgeglichen werden. Der Versuch des Ausgleichs durch Kontaktlinsen sei aufgrund der Sicca-Symptomatik (trockene Augen) und damit verbundener Schmerzen mehrmals gescheitert und nicht möglich. Die Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde H. (S.) hat auf Anfrage des SG mit Schreiben vom 12.11.2012 mitgeteilt, dass der Kläger im Jahr 2007 und im Jahr 2009 in ambulanter Behandlung gewesen sei, hierüber Befundunterlagen jedoch nicht mehr vorlägen.
Das SG hat Dr. von B. mit der Erstellung eines augenfachärztlichen Guta...