Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Nichtigkeitsklage
Leitsatz (amtlich)
Zur Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage des Versicherungsträgers, die dieser erhoben hat, nachdem er zuvor gegen einen nur mit der Berufung angreifbaren Gerichtsbescheid fälschlicherweise Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, diesen Antrag aber wieder zurückgenommen hat.
Normenkette
SGG § 179 Abs. 1, § 105 Abs. 2 S. 2; ZPO § 589 Abs. 1 S. 2, § 578 Abs. 1, §§ 579-580, 586
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin (Beklagte des Ausgangsverfahrens) begehrt die Wiederaufnahme des durch Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 21. Juni 2004 rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens S 2 KN 2619/03.
Die 1931 geborene Beklagte (Klägerin des Ausgangsverfahrens) zog am 1. Februar 1998 aus K. kommend in die Bundesrepublik Deutschland zu. Sie ist als Spätaussiedlerin anerkannt (Bescheinigung des Landratsamts H. Nr. vom 18. Mai 1998) und bezieht seit 1. Februar 1998 Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (früher: Landesversicherungsanstalt Württemberg; Rentenbescheid vom 14. August 1998). Herbei wurden die nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigten Entgeltpunkte (EP) auf 25 begrenzt. Am 6. Februar 1998 beantragte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 1927 geborenen und 1997 im Herkunftsland verstorbenen Ehemanns D. W.. Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 12. Januar 1999 anerkannte die Klägerin einen Anspruch der Beklagten auf große Witwenrente. Ein Zahlbetrag ergebe sich allerdings nicht, da der Höchstwert von nach dem FRG berücksichtigungsfähigen EP bereits bei der Rente aus eigener Versicherung erreicht sei.
Am 15. April 2003 beantragte die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG; Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 118/00 R) die große Witwenrente unter teilweiser Zurücknahme des Bescheids vom 12. Januar 1999 neu festzustellen. Mit Bescheid vom 23. April 2003 lehnte die Klägerin den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dem zitierten Urteil des BSG werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2003 zurück. Auf die am 22. August 2003 erhobene Klage (S 2 KN 2619/03) hob das SG - nach vorherigem Hinweis auf die beabsichtigte Verfahrensweise (Verfügung der Kammervorsitzenden vom 1. Juni 2004) - mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 den Bescheid vom 23. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2003 auf und verurteilte die Klägerin, der Beklagten unter teilweiser Zurücknahme des Bescheids vom 12. Januar 1999 große Witwenrente unter Berücksichtigung von 12,7759 EP zu gewähren. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne. Diese sei binnen eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten den Geschäftsstelle einzulegen. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 1. Juli 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Am 9. Juli 2004 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Regelung des § 105 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Zur Begründung trug sie vor, ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden. Die Mitteilung über die Absicht des Gerichts durch Gerichtsbescheid zu entscheiden sei ihr erst am 14. Juni 2004 zugegangen, eine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme habe für sie deshalb nicht bestanden. Nach telefonischem Hinweis der Kammervorsitzenden auf die Unzulässigkeit des gestellten Antrags beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. August 2004 sinngemäß die Umdeutung des Antrags auf mündliche Verhandlung in eine Berufung (Az. des LSG: L 13 KN 3486/04). Diesen Antrag nahm die Klägerin am 2. September 2004 zurück.
Am 26. November 2004 hat die Klägerin beim SG unter Berufung auf “§§ 179 SGG, 579 Nr. 4 ff. ZPO„ Nichtigkeitsklage erhoben und die Wiederaufnahme des Klageverfahrens S 2 KN 2619/03 beantragt. Eine ausreichende Frist zur Stellungnahme sei ihr vor Erlass des Gerichtsbescheids vom 21. Juni 2004 nicht eingeräumt worden. Dies stelle eine Versagung des nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG zwingend zu gewährenden rechtlichen Gehörs und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Der Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 entspreche zudem nicht der geltenden Rechtslage. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) klargestellt, dass die Begrenzung auf 25 EP auch beim Zusammentreffen von Hinterbliebenenrenten mit Renten aus eig...