Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Regelleistung. Schulkinder. Bedarfsdeckung. Schulmaterialien. Darlehen. Lehrmittel

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2007 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, jedem Antragsteller ein Darlehen in Höhe von 30,00 Euro für Schulbedarf des Schuljahres 2007/2008 zu gewähren. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin D P gewährt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin D P gewährt.

Die Antragsgegnerin hat die den Antragstellern entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller (Ast) zu 1) bis 4) bilden mit ihrer alleinerziehenden Mutter eine Bedarfsgemeinschaft, die laufend von der Antragsgegnerin (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von rund 1.800,00 Euro monatlich (darin enthalten ein Betrag iHv 1.055,22 Euro für Kosten der Unterkunft, welcher direkt an den Vermieter überweisen wird) erhält.

Mit Schreiben vom 19. Juli 2007 beantragten die Ast durch ihre Mutter die Gewährung zusätzlicher Leistungen für die Beschaffung von Lernmitteln. Bei einem schulpflichtigen Kind sei in der Regelleistung pro Monat 1,33 Euro für Schulmittel angesetzt. Bezogen auf ein Schuljahr habe ein Schüler damit 15,96 Euro zur Verfügung, mit dem allenfalls regelmäßige Bedarfe gedeckt werden könnten. Für den Grundbedarf zu Beginn des Schuljahres seien einmalige Beihilfen erforderlich. Für jeden Antragsteller sei insoweit ein Betrag von 51,13 Euro angemessen. Dies entspreche dem unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gewährten Sonderbedarf. Die Mutter der Ast reichte - um die Notwendigkeit dieses Betrages zu illustrieren - bezogen auf die Antragsteller zu 2), 3) und 4) jeweils Listen benötigter Gegenstände (zB Papphefter, Schreibhefte, Blöcke, Schreibgeräte, Federtasche, Sportbekleidung und -schuhe) ein. Für die Antragstellerin zu 1) und 2) seien zudem von der jeweiligen Schule vorgesehene Bücher bzw Lehrmittel erforderlich, die im Falle der Ast zu 1) Kosten von 76,05 Euro (Auflistung der F Grundschule Klasse 3b vom 27. Juni 2007) und im Falle der Ast zu 2) 87,60 Euro (Auflistung der A-P-Oberschule vom 10. Mai 2007) verursachten. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von 419,25 Euro.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2007 lehnte die Ag den Antrag auf einmalige Beihilfe ab. Nach § 20 Abs 1 SGB II werde der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts in Form von Regelleistungen erbracht.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 legten die Ast Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2007 (gegen den die Ast am 13. August 2007 zum Aktenzeichen S 92 AS 16918/07 Klage erhoben haben) zurückgewiesen wurde. Es mangele an einer gesetzlichen Grundlage für die Übernahme von Schulmitteln, die jedes Jahr erneut anfielen. Auch eine darlehensweise Gewährung scheide aus, da die in § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II geregelte Aufrechnung zu einer erheblichen Belastung über das Jahr bis zur nächsten Darlehensgewährung führen würde. Zwar könne sie den Erlass der Aufrechnung des Darlehens prüfen. Damit würde die Darlehensgewährung indes ad absurdum geführt werden.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 haben die Ast beim Sozialgericht (SG) Berlin beantragt, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Beschaffung von Lernmitteln in Höhe von insgesamt 419,25 Euro zu zahlen und ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der in der Regelleistung erhaltene Betrag für Schreibwaren sei dem Bereich der Freizeitgestaltung zuzurechnen. Die Höhe der Regelleistung sei für Schulkinder zu gering bemessen, da sie sich nach den Bedürfnissen eines Erwachsenen richte. Aufwendungen für Bildung seien für Erwachsene nicht vorgesehen. Die Nichtgewährung von einmaligen Beihilfen für die Beschaffung von Schulmitteln verstoße gegen ihre Grundrechte, da es dem staatlichen Erziehungsanspruch zuwiderlaufe, wenn die notwendigen Schulmittel nicht zur Verfügung gestellt würden und wenn sozial schwache Kinder in den Schulen deshalb nicht mitarbeiten könnten, weil sie sich die geforderten Schulmaterialien nicht leisten könnten. Die verfassungswidrige Regelungslücke bestehe entweder in der Nichteinbeziehung von Schulmitteln in die Regelleistung, die ggf für schulpflichtige Kinder gesondert (höher) bestimmt werden müsse, oder in ihrer Nichtberücksichtigung als Sonderbedarf in § 23 Abs 3 SGB II. Hilfsweise könne der Anspruch aus § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hergeleitet werden. Wenn Mittel für Bildung nicht im Regelsatz enthalten seien und ein Darlehen aufgrund des wiederkehrenden Beda...

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