Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde: Rechtsmittelfrist bei unzutreffender Belehrung. Untätigkeitsklageverfahren: Erlass des Widerspruchsbescheids kein Anerkenntnis. Auslegungsfähigkeit von Erklärungen. Prozessuale Erklärung. Klagerücknahme. Einseitige Erledigungserklärung. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Kein Lauf einer Rechtsmittelfrist bei Belehrung, der Beschluss sei nicht anfechtbar.
Die Erteilung des Widerspruchsbescheides während der darauf gerichteten Untätigkeitsklage stellt kein Anerkenntnis, sondern Erfüllung des prozessualen Anspruchs dar.
Orientierungssatz
Zur Frage der Auslegungsfähigkeit einer vom Rechtsanwalt des Klägers erklärten Annahme eines nicht existierenden Anerkenntnisses als Klagerücknahme (bzw einseitige Erledigungserklärung), wenn dieser ebenfalls erklärt hat, eine Erledigungserklärung nicht abzugeben und einer Umdeutung zu widersprechen.
Normenkette
SGG § 88 Abs. 1 S. 3, § 101 Abs. 2, §§ 102, 123, 66 Abs. 1, 2 S. 1, § 172 Abs. 1, 3 Nr. 3, § 173 S. 1
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Januar 2014 aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Gründe
I.
Die Klägerin hat mit ihrer Untätigkeitsklage das Begehren verfolgt, den Widerspruch der Klägerin vom 17. Januar 2012 gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2012 zu bescheiden, und ist dabei der Auffassung, dass das Verfahren durch angenommenes Anerkenntnis in der Hauptsache erledigt ist.
Am 18. April 2012 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Sozialgericht Cottbus Untätigkeitsklage erhoben und beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, auf den Widerspruch der Klägerin vom 17. Januar 2012 gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2012 hinsichtlich des Antrages auf Darlehen zur Tilgung der Mietschulden eine Entscheidung zu erlassen,
2. der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 19. November 2013 erklärt, er nehme das Anerkenntnis der Beklagten ausdrücklich an. Es sei nunmehr geklärt, dass die vorbehaltlose Erfüllung des geltend gemachten Bescheidungsanspruchs ein Anerkenntnis des mit der Untätigkeitsklage geltend gemachten Bescheidungsanspruchs darstelle (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.06.2013, L 28 AS 1754/12). “Einer Umdeutung in eine Erledigungserklärung wird ausdrücklich widersprochen.„ Zugleich wurde beantragt, dass der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten habe.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 führte der Bevollmächtigte der Klägerin auf Hinweise des Sozialgerichts zur beabsichtigten Kostenentscheidung und seiner Auslegung des Schreibens der Klägerin dahingehend, dass damit jedenfalls das Verfahren beendet werden sollte, aus, eine Beendigung liege nur vor, wenn auch das Gericht von einer Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis ausgehe. Da dies erfahrungsgemäß nicht der Fall sei, sei das Verfahren nicht beendet und folglich fortzusetzen.
Die Beklagte hat eine Übernahme der Kosten abgelehnt.
Mit Beschluss vom 7. Januar 2014 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit beendet sei, und entschieden, dass die Beklagte keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe. Die Beteiligten würden nur noch über die Kostenerstattung bei einer Untätigkeitsklage streiten. Das Verfahren sei beendet. Die Klägerin habe dies mehrfach erklärt und Kostenantrag gestellt. Zudem sei der begehrte Bescheid längst erlassen. Diese Kostenentscheidung sei gemäß § 172 Abs 3 Nr 3 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2014 hat die Klägerin anwaltlich die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt und diesen Antrag nach am 10. Februar 2015 beim Sozialgericht eingelegter Beschwerde gegen den am 7. Februar 2014 zugestellten Beschluss mit Schreiben vom 14. Februar 2015 zurückgenommen. Ihre Beschwerde begründet die Klägerin damit, dass die Klage zwar materiell, nicht aber prozessual erledigt sei. Zwar gehe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von einer Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis aus. Ein solches Anerkenntnis bestreite die Beklagte jedoch, so dass Streit über die Beendigung des Verfahrens bestehe. Das Sozialgericht habe in seinem Beschluss nicht die Frage unbeantwortet lassen dürfen, worin es die prozessuale Erledigung erblicke. Schlichtweg rechtsirrig sei die Auffassung, die Erledigung folge daraus, dass ein Kostenantrag gestellt worden sei. Kostenanträge würden typischerweise zusammen mit dem Hauptsacheantrag formuliert. Darin jedes Mal eine Erledigung anzunehmen, sei absurd.
Die Beklagte hält unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde diese jedenfalls aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung für unbegründet. Für die ...