Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer Steuererstattung als Einkommen auf Leistungen der Grundsicherung. Absetzung eines Freibetrags
Orientierungssatz
1. Eine Steuererstattung stellt beim Bezug von Leistungen der Grundsicherung berücksichtigungsfähiges Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 dar. Das gilt auch dann, wenn sie in dem Bedarfszeitraum zugeflossen ist, der dem streitigen Bewilligungsabschnitt vorausgegangen ist.
2. Zweck der Absetzung eines Freibetrags nach § 11 b Abs. 2 SGB 2 ist die Förderung der Aufnahme und Beibehaltung einer konkreten Erwerbstätigkeit. Fehlt es an einem Bezug zu der aktuell ausgeübten Tätigkeit des Hilfebedürftigen, so ist die Absetzung des Freibetrags ausgeschlossen. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn die Steuererstattung auf einer früheren Erwerbstätigkeit beruht und in keinerlei Zusammenhang mit einer derzeit ausgeübten selbständigen Tätigkeit steht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten eine endgültige Festsetzung und teilweise Erstattung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2012 iHv insgesamt 2.057,72 € unter Berücksichtigung einer Steuerrückerstattung für das Jahr 2008 als einmalige Einnahme.
Der am 1961 geborene Kläger ist im Bereich der Herstellung und des Verkaufs therapeutischer Edelsteinketten selbständig tätig. Er bezieht von dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für die Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II. Seine voraussichtlichen Einnahmen gab er für den streitigen Zeitraum mit insgesamt 6.783,- € und die Ausgaben mit insgesamt 5.719,70 € an. Daraufhin bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2012 vorläufig Grundsicherungsleistungen iHv 750,66 € monatlich (für Februar 2012 zuzüglich eines Zuschlags nach § 24 SGB II in Höhe von 80,- €: insgesamt 830,66 €), wobei ein monatliches Einkommen des Klägers iHv 51,64 € berücksichtigt wurde.
Im April 2012 überreichte der Kläger dem Beklagten den Einkommensteuerbescheid vom 11. Januar 2012 für das Jahr 2008 über eine Steuererstattung iHv insgesamt 3.473,95 €, die dem Kläger im Januar 2012 ausgezahlt wurde. Hierbei erklärte er, er beantrage die Berücksichtigung der Steuererstattung als Betriebseinnahme. Daraufhin erteilte der Beklagte den vorläufigen (Änderungs-) Bescheid vom 21. Mai 2012 für die Monate Juni und Juli 2012, wobei unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens iHv 514,83 € Leistungen für KdU iHv 287,47 € monatlich bewilligt wurden.
Mit Bescheiden vom 24. Juni 2013 entschied der Beklagte sodann über den Anspruch des Klägers auf Grundsicherung für die streitige Zeit endgültig und verlangte Erstattung von insgesamt 2.237,72 €. Hierbei legte er den monatlichen Bedarf des Klägers für Februar 2012 mit 882,30 € (Regelleistung: 374,- € und KdU: 428,30 € zuzüglich eines Zuschlags von 80,- €) und für den Zeitraum von März bis Juli 2012 mit 802,30 € monatlich (Regelleistung: 374,- € und Kosten der Unterkunft und Heizung: 428,30 € monatlich) zu Grunde. Hierauf rechnete er die Steuererstattung iHv 578,99 € monatlich (578,99 x 6 Monate = 3.473,94 €) an, so dass sich monatliche Gesamtleistungen iHv 303,31 € (Februar 2012) bzw 223,31 € (März bis Juli 2012) ergaben. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Steuererstattung sei nicht als einmalige Einnahme, sondern als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Er habe daher die Steuererstattung in die abschließende Anlage EKS eingetragen. Der Beklagte berücksichtigte sodann mit (Änderungs-)Bescheid vom 18. Juli 2013 bei der Anrechnung der Steuererstattung den Abzug der Versicherungspauschale von 30,- € monatlich, wodurch sich jeweils um 30,- € erhöhte monatliche Leistungen im Streitzeitraum ergaben und sich die Erstattungsforderung auf insgesamt 2.057,72 € verringerte. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger höhere Leistungen unter Berücksichtigung der Steuererstattung als Betriebseinnahme. Die Anrechnung der Einkommensteuererstattung als einmalige Einnahme führe zu einem unbilligen Ergebnis. Es sei eine Saldierung mit den Betriebsausgaben vorzunehmen. Die Steuererstattung sei im Wege eines Einspruchs durchgesetzt worden, woraufhin die bearbeitende Steuerberaterin Gebühren iHv 710,85 € verlangt habe. Dieser Rechnungsbetrag sei im Februar 2012 durch ihn ausgeglichen worden, was bei der Einkommensanrechnung in Ansatz zu bringen sei. Die Beauftragung der Steuerberaterin stelle eine mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe dar. Die Steuerrückerstattung habe sich aus zu hohen Betriebsausgaben seines Gewerbebetriebs ergebe...