Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Unzulässigkeit eines Eilantrags bei bestandskräftiger vorläufiger Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 2. Möglichkeit der Durchbrechung der Bestandskraft. Überprüfungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zulässigkeit einstweiliger Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG bei vorläufigem Bescheid (§ 328 Abs 2 SGB 3).

 

Orientierungssatz

Die Auffassung, ein Antrag auf die einstweilige Gewährung bestandskräftig abgelehnter Leistungen sei dann nicht unzulässig, wenn die Möglichkeit der Durchbrechung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheids im Ergebnis eines noch nicht abgeschlossenen Überprüfungsverfahrens bestehe, hält der Senat für nicht für vertretbar.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag ist bereits unzulässig.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, gerichtet auf die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -, war bereits unzulässig, weil es keinen weiteren durchsetzbaren Hauptanspruch mehr gab, hinsichtlich dessen eine vorläufige Regelung im vorliegenden Verfahren hätte getroffen werden können. Der die Höhe des Leistungsanspruchs für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 regelnde Bescheid des Antragsgegners vom 13. März 2014 in der Fassung des Bescheides vom 6. Mai 2014 ist bestandskräftig geworden. Die Bindungswirkung steht einer einstweiligen Regelung des Leistungsanspruchs entgegen.

Nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da kein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt und die Antragstellerin eine einstweilige Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis wünscht, begehrt sie eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dieser Antrag ist aber unzulässig, da eine einstweilige Regelung nicht geltend gemacht werden kann, wenn feststeht, dass die Antragsteller keinen durchsetzbaren Hauptanspruch besitzen. So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 13. März 2014 zwar fristgemäß Widerspruch eingelegt, nicht jedoch nach Erteilung des Bescheides vom 6. Mai 2014, der Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist (§ 86 SGG), und Zurückweisung des Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014, innerhalb der Frist nach § 87 Abs. 1 SGG Klage erhoben. Damit ist der Bescheid vom 6. Mai 2014 zwischen den Beteiligten bindend geworden.

Unzutreffend geht die Antragstellerin davon aus, dass vorläufige Entscheidungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V. mit § 328 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - nicht in Bestandskraft erwachsen können. Die vorläufige Leistung nach § 328 Abs. 1 SGB III ist Leistung sui generis und gegenüber der endgültigen Leistungsbewilligung eine eigenständige Leistungsart und regelt einen eigenständigen Anspruch. Gegen eine vorläufige Regelung ist ein selbständiges Rechtsschutzverfahren gegeben. Werden Rechtsbehelfe nicht - nicht fristgemäß - eingelegt, erwächst die eigenständige Regelung über die vorläufige Leistungsgewährung in Bestandskraft; sie wirkt auch im Hinblick auf einen Erstattungsbescheid im Zusammenhang mit der endgültigen Festsetzung der Leistung (vgl. BSG v. 10.05.2011 - B 4 AS 139/10 R - juris, Rn. 15, m.w.N; zur Bindungswirkung vorläufiger Regelungen vgl. auch Niesel in Niesel, SGB II, § 328, Rn. 7, m.w.N.). Unabhängig davon, dass es für den Eintritt der Bindungswirkung nach § 77 SGG nicht auf Vertrauensschutz ankommt, ist ein bindender vorläufiger Bescheid nach § 328 Abs. 2 SGB III bis zu seiner Erledigung auch Grundlage für die Leistungsgewährung und für den Zahlungsanspruch des Adressaten.

Vorliegend ist die Bindungswirkung auch durch das Versäumen der Klagefrist eingetreten. Mit dem Widerspruchsbescheid ist eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden, die auch nicht unrichtig war, so dass auch die Frist nach § 66 Abs. 2 SGG nicht eröffnet ist. Der Senat sieht hierzu von einer weiteren Begründung ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts mit dem angefochtenen Beschluss, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG. Soweit der rechtskundige Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin anführt, mit der Rechtsmittelbelehrung seien die für einen Laien unverständlichen und überfrachteten Regelungen des § 92 Abs. 1 SGG aufgenommen worden und deshalb sei die Belehrung unrichtig, folgt dem der Senat nicht. Die Rechtsmittelbelehrung ist insbesondere nicht dadurch überfrachtet, denn der erteilte Hinweis auf die Form ein...

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