Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für arbeitsuchende erwerbsfähige Unionsbürger
Orientierungssatz
Der Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für Ausländer nach § 7 Abs 1 SGB II (juris: SGB 2) ist mit europäischem Recht vereinbar, Fortführung: LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 29. Februar 2010 - L 20 AS 2347/11 B ER.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 2012 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin -Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt L A, K, B, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger und leben nach eigenen Angaben seit 2008 in der Bundesrepublik Deutschland.
Es handelt sich im einzelnen um den 1988 geborenen Antragsteller zu 2), seine nach eigenen Angaben nicht mit ihm verheiratete “Partnerin„, die 1993 geborene Antragstellerin zu 1) und ihre insgesamt drei gemeinsamen minderjährigen Kinder (den Antragsteller zu 3], geboren 2008, die Antragstellerin zu 4], geboren 2010 und den 2011 geborenen Antragsteller zu 5]).
Ausweislich der in Kopie vorgelegten Bescheinigungen des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Ausländerbehörde) von Berlin vom 21. November 2011 und 8. Dezember 2011 wurden den Antragstellern zu 1) und 2) aufgrund ihrer Anmeldungen am 27. Oktober 2011 Bescheinigungen gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU ausgestellt.
In seinem Widerspruchsschreiben vom 20. Oktober 2011 zu dem ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2011 führte der Antragsteller zu 2) aus, er sei nicht nur arbeitsuchend. Vielmehr sei er Musiker und erziele Einkünfte über Straßenmusik, Konzerte und Auftritte bei Feiern und Festen. Monatlich erziele er so über die Straßenmusik ca. 400 €. Eine Steuernummer habe er nicht beantragt, da er aufgrund von Obdachlosigkeit keine Meldeadresse habe. Mangels Meldeadresse könne er auch kein Gewerbe anmelden oder eine Arbeitserlaubnis beantragen.
Ausweislich einer Bescheinigung des E Krankenhauses “K E H„ vom 5. Januar 2012 leistet der Antragsteller zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 einen Bundesfreiwilligendienst in der Apotheke des Krankenhauses mit einem “Taschengeld„ von monatlich 300 €, einem Verpflegungszuschuss von 75 € und Fahrgeld von 53 €.
Seit 2011 haben die Antragsteller im Rahmen mehrerer Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Berlin jeweils vorläufige Verpflichtungen zur Leistungserbringung erwirkt. Zuletzt hatte das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 6. Januar 2012 den Antragsgegner bis zum 2. Februar 2012 zur vorläufigen Kostenübernahme für eine Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim (“D T„) in B verpflichtet.
Bereits mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 hatte der Antragsgegner auch einen erneuten Leistungsantrag der Antragsteller vom 13. Dezember 2011 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach dem SGB II sowie mangels Nachweises der Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Hiergegen erhoben die Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Dezember 2011 Widerspruch und beantragten am 20. Januar 2012 bei dem Sozialgericht Berlin erneut, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung nach dem SGB II zu verpflichten.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 7. Februar 2012 antragsgemäß verpflichtet, eine Kostenübernahmeerklärung für die Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim für die Zeit vom 3. Februar 2012 bis einschließlich 30. Juni 2012 zu erteilen und den Antragstellern ab dem 20. Januar 2012 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von insgesamt 1111 € bis längstens zum 30. Juni 2012 zu gewähren. Darüber hinaus hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig -längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - eine Kostenübernahmeerklärung für eine Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim in der T, B ab dem 3. Februar 2012 bis einschließlich 30. Juni 2012 (16,34 € pro Tag und Person) zu erteilen. Sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch lägen vor. Es bestehe ein gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland und es sei zweifelhaft, ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform sei. Der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe in seinem Beschluss vom 30. September 2011 (L 14 AS 1148/11 B) schon darauf hingewiesen, dass sich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II für Unionsbürger aus der VO 883/2004 ergebe.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 8. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat...