Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Bagatellrechtsstreit
Orientierungssatz
1. Die Beteiligung von PKH ist zu versagen, wenn ein Dritter angesichts des geringen Wertes des durchzusetzenden Anspruchs bei offenem Ausgang des Prozesses vernünftigerweise anwaltliche Hilfe nicht in Anspruch nehmen würde.
2. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht darauf abzustellen, ob ein Bemittelter bei Betrachtung der Relation des Wertes der durchzusetzenden Position zum Kostenrisiko anwaltlichen Beistand in Anspruch nehme würde. Es entspricht der Rechtsprechung des BVerfG und der Sozialgerichtsbarkeit, für einen sog. Bagatellrechtsstreit PKH nicht zu bewilligen.
3. Bei einem Streitwert von 27 €. würde ein Bemittelter das Kostenrisiko von 559,30 €. für die 1. Instanz vernünftigerweise nicht eingehen.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Klageverfahrens, in dem er für drei Urlaubstage (vom 27. bis 29. Dezember 2006) im Rahmen einer so genannten 1- Euro- Maßnahme von der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form einer Mehraufwandsentschädigung in Höhe von täglich 9 €, insgesamt somit 27 €, begehrt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit seinem Beschluss vom 22. April 2008 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe voraus, dass der Beteiligte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insbesondere zur Beurteilung der Erfolgsaussichten ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a, Rnr. 7d m.w.N.).
Nach diesen Regelungen besteht für den Kläger kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Es ist zu berücksichtigen, dass ein Kläger, der aus eigenen Einkommen oder Vermögen die Kosten für einen Prozess tragen müsste, angesichts des geringen Wertes der durchzusetzenden Ansprüche bei offenem Ausgang dieses Prozesses vernünftigerweise anwaltliche Hilfe nicht in Anspruch genommen hätte.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für eine solche Prognose insbesondere nicht auf statistische Erhebungen an, ob und wie viele Bemittelte in der Situation des Klägers einen Rechtsanwalt für die Durchsetzung eines Anspruches auf 27 € beauftragt hätten. Maßgeblich ist vielmehr, ob ein Bemittelter vernünftigerweise anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hätte. Es ist aufgrund der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 und 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG -) nicht geboten, einen Unbemittelten einem Bemittelten in jeder Hinsicht gleichzustellen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in ständiger Rechtsprechung hierzu ausgeführt, dass sich aus verfassungsrechtlichen Gründen lediglich eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes ergibt; mit dem Institut der Prozesskostenhilfe habe der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten ermöglicht (vgl. BVerfG, insb. Beschluss vom 20. Juni 2006,1 BvR 2673/05, zitiert nach Juris, m. w. N.). Das Gericht müsse erwägen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG, a.a.O.). Anders ausgedrückt, braucht ein Unbemittelter nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - m.w.N., veröffentlicht in NJW 1991, 413 = BVerfGE 81, 347).
Grundlegend hat das BVerfG bereits mit Beschluss vom 22. Januar 1959 (1 BvR 154/55 in JZ 1959, 171 = NJW 1959,715 = BVerfGE 9, 124), damals noch zum so genannten Armenrecht, folgendes ausgeführt:
“…der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG … verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Nur dann ist nach Art. 3 Abs. 1 GG Gleiches gleich, Ungleiches aber nach seiner Eigenart zu behandeln, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung bei einer gesetzlichen Regelung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (vgl. et...