Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz. freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Vorversicherungszeit. Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII. Einstweiliger Rechtsschutz. Feststellung des Bestehens einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Meldeerfordernis. Sozialhilfeträger. Kassenwahlrecht. Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Erfolg eines auf die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses gerichteten Antrags steht entgegen, dass die begehrte vorläufige Feststellung gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verstoßen würde, weil mit ihr ein Status festgeschrieben würde, der bei einem eventuellen Misserfolg der Klage nicht mehr rückgängig zu machen wäre.
2. Aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf die Gewährung von Krankenversicherungsschutz beschränkt, worunter i.d.R. die Gewährung einzelner Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und nur in Fällen länger andauernder oder chronischer Krankheitszustände die Gewährung pauschalen Versicherungsschutzes für einen begrenzten Zeitraum zu verstehen ist.
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 2a, § 9 Abs. 2 Nr. 1, §§ 275, 264 Abs. 1-2, § 175 Abs. 3 S. 2; SGB II § 44a Abs. 1, § 8 Abs. 1; SGB X § 50; SGG § 86b Abs. 1, §§ 172-174; GG Art. 19 Abs. 4; BVerfGG § 32
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2007 geändert und wie folgt gefasst:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch für 6 Monate, Krankenversicherungsschutz zu gewähren.
Im Übrigen werden der Antrag und die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens für beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässig und teilweise begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts ist unzutreffend, soweit das Sozialgericht die Feststellung getroffen hat, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller bereits ab dem 19. Mai 2007 Leistungen der freiwilligen Krankenversicherung zu gewähren. Soweit der erstinstanzliche Antrag des Antragstellers darauf gerichtet war, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig als freiwilliges Mitglied zu führen, ist der Antrag unzulässig, denn dem Erfolg dieses auf die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses gerichteten Antrages steht jedenfalls entgegen, dass die begehrte vorläufige Feststellung gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache verstoßen würde, weil mit ihr ein Status festgeschrieben würde wäre, der bei einem eventuellen Misserfolg der Klage nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Dies bedeutet indes nicht, dass dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz schlechterdings versagt bleiben muss, weil sich dies mit dem in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes postulierten Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht in Einklang bringen ließe. Im Lichte dieses Gebots ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (als Minus zum Ziel des Feststellungsantrages) auf die Gewährung von Krankenversicherungsschutz beschränkt, worunter in der Regel die Gewährung einzelner Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und nur in Fällen länger andauernder oder chronischer Krankheitszustände die Gewährung pauschalen Versicherungsschutzes für einen begrenzten Zeitraum zu verstehen ist. Mit diesem Begehren, das der Antragsteller auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens erstreckt hat, vermochte er jedoch nicht in vollem Umfang durchzudringen. Denn es hat erst für die Zeit vom Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch für 6 Monate, Erfolg und nicht bereits rückwirkend zum Zeitpunkt des Beginns der Behandlung des Klägers in der Charité. Der Beschlusstenor des Sozialgerichts war zudem auch insoweit neu zu fassen, als dieser lediglich auf die Feststellung gerichtet ist, dem Antragsteller Leistungen der freiwilligen Krankenversicherung zu gewähren. Denn ungeachtet der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit gerichtliche Feststellungen im Hinblick auf ihre fehlende Vollstreckbarkeit überhaupt Gegenstand vorläufigen Rechtsschutzes sein können und warum die Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen der “freiwilligen„ Krankenversicherung verpflichtet sein soll, stand dem von dem Sozialgericht gewählten Tenor jedenfalls der ausdrückliche Antrag des Antragstellers, welcher auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen der Kranken...