Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit Lipidapherese im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (hier bejaht). Befristung. stattgebende Entscheidung nach Folgenabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verpflichtung der Krankenkassen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Erbringung einer Lipidapherese.

2. Zur Befristung einer stattgebenden Entscheidung nach Folgenabwägung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. September 2013 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragsteller für die Zeit vom 10. Februar bis zum 10. August 2014 mit LDL-Apheresebehandlungen zu versorgen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zu ½.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, den Antragsteller vorläufig mit LDL-Apheresebehandlungen zu versorgen, ist im Hinblick auf die Veränderung der Sachlage im Beschwerdeverfahren zu ändern und die Antragsgegnerin zu der begehrten Leistung für den Zeitraum von sechs Monaten zu verpflichten.

1.) Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierfür muss der Antragsteller grundsätzlich einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 i.V.m § 920 Zivilprozessordnung). Für das Vorliegen des Anordnungsanspruchs sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

2.) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V insbesondere die ärztliche Behandlung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - wie die hier streitige LDL-Apherese - dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (Nr. 1), die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern (Nr. 2) und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung (Nr. 3). Dies ist in der Anlage I Nr. 1 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des Gemeinsamen Bundesausschusses [GBA] zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung -Method-RL-) in der Fassung vom 17. Januar 2006 (veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48 [S. 1 523]), in Kraft getreten am 1. April 2006, zuletzt geändert am 18. April 2013 (veröffentlicht im Bundesanzeiger [BAnz AT 07.11.2013 B3]), in Kraft getreten am 8. November 2013, geschehen.

Nach § 3 Abs. 1 Method-RL können LDL-Apheresen bei Hypercholesterinämie nur durchgeführt werden bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung oder mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann. Im Vordergrund der Abwägung der Indikationsstellung soll dabei das Gesamt-Risikoprofil des Patienten stehen. Diese Einschränkung des Leistungsanspruchs der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung soll der Tatsache Rechnung tragen, dass für die in § 3 genannten Krankheitsbilder in der vertragsärztlichen Versorgung i.d.R. hochwirksame medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen, sodass Apheresen nur in Ausnahmefällen als “ultima ratio„ bei therapierefraktären Verläufen eingesetzt werden sollen (vgl. § 1 Abs. 2 Method-RL). Darüber hinaus ist die Durchführung und Abrechn...

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