Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Mindestmengen. Stammzelltransplantation. Prognose des Krankenhausträgers. Prüfung durch Landesverbände der Krankenkassen. keine positive Entscheidung über die Berechtigung zur Leistungserbringung. Rechtsschutz gegen "Widerlegungsentscheidung" durch isolierte Anfechtungsklage. faktische Vollziehung durch die Kassenverbände. Feststellung der aufschiebenden Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Regelungskonzept von § 136b Abs 4 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs 5 Mm-R (juris: MmR) sieht keine positive, die Qualität eines Verwaltungsaktes besitzende Entscheidung über die bestehende Berechtigung zur Leistungserbringung vor.

2. Im Falle einer "Widerlegungsentscheidung" nach § 136b Abs 4 S 6 SGB V ist daher die isolierte Anfechtungsklage hinreichend rechtsschutzintensiv.

3. Missachten die Kassenverbände die aufschiebende Wirkung der gegen die nicht für sofort vollziehbar erklärte Widerlegungsentscheidung erhobenen Klage, liegt ein Fall faktischer Vollziehung vor, der zur Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage führt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Oktober 2019 geändert. Es wird festgestellt, dass die Klagen (S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19) gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 aufschiebende Wirkung entfalten. Der weiter gehende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das gesamte Verfahren auf 156.990,68 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Trägerin des C-T-Klinikum C, eines Plankrankenhauses nach § 108 SGB V. Sie streitet für die Jahre 2019 und 2020 mit den Antragsgegnerinnen um die Erfüllung der Voraussetzungen zur Erbringung und Abrechnung von Stammzelltransplantationen. Für solche gilt auf der Grundlage von § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V eine jährliche Mindestmenge von 25.

Für den Zeitraum 1. März 2016 bis 28. Februar 2018 gewährten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin eine Ausnahme von den Mindestmengenerfordernissen für Leistungen im Bereich der Stammzelltransplantation; Hintergrund war eine personelle Neuausrichtung im Hause der Antragstellerin aufgrund der Neueinstellung eines Chefarztes zum 1. März 2016. Mit Wirkung vom 1. Mai 2018 kam es zu einem erneuten Chefarztwechsel.

Die Leistungszahlen der Antragstellerin im Bereich der Stammzelltransplantation gestalten sich wie folgt:

Leistungsjahr

Leistungszahl gesamt

Leistungszahl 1. Quartal

Leistungszahl 2. Quartal

Leistungszahl 3. Quartal

Leistungszahl 4. Quartal

2015   

17    

2016   

13    

2017   

24    

6       

10    

3       

5       

2018   

26    

5       

3       

8       

10    

2019   

26    

8       

7       

8       

3       

Mit Schreiben an die Antragsgegnerinnen vom 11. Juli 2018 erklärte sich die Antragstellerin zur Anzahl der für das Jahr 2019 erwarteten Stammzelltransplantationen. Prognostiziert wurde, ausgehend vom Leistungsgeschehen im Jahre 2018, eine Leistungszahl von mindestens 30. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 wiederholte die Antragstellerin diese Prognose auf der Grundlage des Leistungsgeschehens im nunmehr fast abgeschlossenen Jahr 2018.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 (zugestellt am 3. Januar 2019) kamen die Antragsgegnerinnen „zu dem Ergebnis, dass die für das Kalenderjahr 2019 getroffene Prognose aufgrund begründeter erheblicher Zweifel zu widerlegen ist“. Die zum 1. März 2016 erfolgte personelle Neuausrichtung sei insofern gescheitert, als ein Erreichen der Mindestmenge von 25 nicht gelungen sei. Zwar sei die Tendenz im ersten Halbjahr 2017 positiv gewesen, danach sei aber ein Leistungseinbruch zu verzeichnen mit insgesamt nur noch 16 Eingriffen in den vier Quartalen III/17 bis II/18. Damit sei die von der Antragstellerin für das Jahr 2019 erstellte Prognose widerlegt. Diesen Bescheid erklärten die Antragsgegnerinnen nicht für sofort vollziehbar.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 4. Februar 2019 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Sozialgericht Cottbus, S 12 KR 266/19).

Mit Schreiben an die Antragsgegnerinnen vom 12. Juli 2019 erklärte sich die Antragstellerin zur Anzahl der für das Jahr 2020 erwarteten Stammzelltransplantationen. Prognostiziert wurde, ausgehend vom Leistungsgeschehen im Jahre 2018 (insgesamt 26) und vom Leistungsgeschehen der Quartal III/18 bis II/19 (insgesamt 33), eine Leistungszahl von 35.

Mit Bescheid vom 21. August 2019 teilten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin folgenden „Beschluss“ der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen im Land Brandenburg mit: „Die abgegebene Prognose für das Kalenderjahr 2020 für den Leistungsbereich ’Stammzelltransplantation’ wird aufgrund begründeter erheblicher Zweifel widerlegt. Die Erbringung von Leistungen im Leistungsbereich ’Stammzelltransplantation’ unterliegt im Kalenderjahr 2...

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