Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsverpflichtung. Haftungsbescheid. Haftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe. Haftungsfreigrenze bis zu einem Gesamtauftragswert von unter 500.000 Euro. Möglichkeit der Exkulpation. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs

 

Orientierungssatz

1. Die Ermächtigung des § 168 SGB 7, in der Form des Verwaltungsaktes handeln zu dürfen, erstreckt sich auch auf den Haftungsanspruch aus § 150 Abs 3 Alt 2 SGB 7 (vgl. BSG, Urt. v. 27.05.2008 - B 2 U 11/07 R).

2. Der Nachweis zur Exkulpation im Sinne von § 28e Abs 3b SGB 4 eines Unternehmers, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt, ist dann geführt, wenn der Unternehmer sich eine von dem Nachunternehmer oder einer Einzugstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf den Bauzeitraum ausgestellte Bescheinigung über die Erfüllung der Beitragszahlungsverpflichtung hat vorlegen lassen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Streitwert wird auf 442,61 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, ein Bauunternehmen und als solches Mitglied der Antragsgegnerin, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Haftungsbescheid.

Im Rahmen des Bauvorhabens des Bezirksamtes M von B “Waldpflanzengarten„ am E (L Kanal), welches ein Gesamtauftragsvolumen von 794.099,18 Euro brutto hatte, war die Antragstellerin mit Mauerwerksanierungsarbeiten im Umfang von insgesamt 470.304,52 Euro brutto beauftragt worden. Einen Teil der Bauleistungen ließ sie im Jahr 2005 von der U-Bau GmbH erbringen. Die U-Bau GmbH stellte mit Abschlagsrechnungen vom 06. Juni, 27. Juni und 18. Juli 2005 der Antragstellerin für ausgeführte Bauleistungen am Bauvorhaben “L Kanal„ in Berlin insgesamt 87.177,42 Euro netto in Rechnung. Durch Beschluss des Amtsgerichts P vom 21. November 2005 (35 IN 1208/05) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U-Bau GmbH eröffnet.

Nachdem die Antragsgegnerin bei der U-Bau GmbH eine Betriebsprüfung durchgeführt sowie der Insolvenzverwalter den Lohnnachweis für die Zeit vom 01. Januar bis zum 20. November 2005 (Lohnsumme für den Gewerbezweig Hochbau aller Art: 316.521,- Euro) erstellt hatte, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07. Juni 2006 die noch offenen Beiträge für das Jahr 2005 i. H. v. 6.950,70 Euro (= 20.855,20 Euro abzgl. geleistete Teilzahlungen i. H. v. 14.427,- Euro und zzgl. Säumniszuschlag i. H. v. 522,59 Euro) fest und forderte diese vom Insolvenzverwalter an. Eine Befriedigung der in die Tabelle aufgenommenen Beitragsforderung erfolgte im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.

Mit Schreiben vom 15. September 2010 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigten Inanspruchnahme für die offenen Beitragsverpflichtungen der U-Bau GmbH aus dem Jahr 2005 nach § 150 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i. V. m. § 28e Abs. 3a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an. Hierbei wies sie auf die Wertgrenze in § 28e Abs. 3d SGB IV (500.000,- Euro) wie auch auf die Exkulpationsmöglichkeit nach § 28e Abs. 3b SGB IV hin. Daraufhin führte die Antragstellerin aus, ihr Gesamtauftragsvolumen für das Bauvorhaben “L Kanal„ habe insgesamt nur 470.304,52 Euro betragen, wie sich aus der Zahlungsfreigabe des bauleitenden Architekten des Bezirksamtes M von B, der Fa. H, ergebe.

Auf Nachfragen der Antragsgegnerin übermittelte die Fa. H die Gesamtrechnungsübersicht für das Bauvorhaben “Waldpflanzengarten„ (794.099,18 Euro; davon entfielen 470.304,52 Euro auf die Bauleistungen der Antragstellerin, weitere 35.126,15 Euro auf die Sanierung von Mauerwerk durch einen anderen Unternehmer, 68.562,15 Euro auf Stahlbauarbeiten, 11.953,72 Euro auf Tiefbrunnenarbeiten und 208.152,64 Euro auf den Waldpflanzengarten).

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 nahm die Antragsgegnerin die Antragstellerin aufgrund des Bauauftrages “E (L Kanal)„ für die Beitragsrückstände der U-Bau GmbH für das Jahr 2005 i. H. v. 885, 22 Euro gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 3a SGB IV in Anspruch. Sie legte dar, dass die bei der Ausführung des Auftrages angefallenen Arbeitsentgelte mangels detaillierter Angaben der Antragstellerin geschätzt worden seien. Hierbei sei man nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung eines Materialanteils von 50 % der Nettoauftragssumme bei einem Nettoauftragsvolumen von 87.177,42 Euro von beitragspflichtigen Arbeitsentgelten für das Jahr 2005 i. H. v. 43.588,- Euro ausgegangen. Die auf die ursprünglichen Beiträge von der U-Bau GmbH geleisteten Teilzahlungen seien anteilig auf die Haftungsforderung angerechnet worden, so dass sich st...

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