Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung von Leistungen nach dem OEG

 

Leitsatz (redaktionell)

Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht sind zu versagen, wenn das Opfer sich leichtfertig in die Gefahr eines tätlichen Angriffs begeben hat.

 

Normenkette

OEG § 2 Abs. 1 S. 1; SGG § 153 Abs. 2, § 160 Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.04.2018; Aktenzeichen B 9 V 58/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Vorliegend streiten die Beteiligten im Wege eines Überprüfungsverfahrens über die Versorgung des Klägers nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Am 3. April 2008 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Beschädigtenversorgung. Er trug vor, dass ihn ein unbekannter vermummter Mann am 30. Oktober 2004 mit dem Tod bedroht und mehrmals geschlagen habe. Hierbei hätten ihn ebenfalls unbekannte Männer festgehalten. Als Tatanlass gab der Kläger einen “politischen Disput„ an.

Der Beklagte zog u.a. die staatsanwaltlichen Akten zur Strafanzeige des Klägers vom 1. November 2004 bei. Gegenüber der Polizei hatte der Kläger seinerzeit angegeben:

Am Rande einer Versammlung am 30. Oktober 2004 hätten vermummte Personen Blumentöpfe zerschlagen und Müllcontainer auf die Straße geschoben. Er habe eine dieser Personen angesprochen und gebeten, ihr Treiben zu unterlassen. Nachdem er der Aufforderung wegzugehen nicht gefolgt sei, habe er von dem Unbekannten einen Faustschlag ins Gesicht bekommen. Er habe den Täter durch die Potsdamer Innenstadt verfolgt. Dieser habe mehrfach gedroht, ihn umzubringen, worauf er - der Kläger - erwidert habe, keine Angst zu haben, und angeboten habe, sich auf einer nahe gelegenen Wiese zu schlagen. Daraufhin habe er noch einen Faustschlag ins Gesicht erhalten.

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 3. September 2008 mit der Begründung ab, objektive Nachweise über den von dem Kläger geschilderten Geschehensablauf seien nicht erbracht. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2009 zurück: Selbst wenn das schädigende Ereignis stattgefunden hätte, seien ihm Leistungen wegen Unbilligkeit zu versagen. Hiergegen unternahm der Kläger nichts.

Den erneuten Antrag des Klägers vom 3. Mai 2011 verstand der Beklagte als Überprüfungsantrag. Er lehnte ihn durch Bescheid vom 19. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012 mit der Begründung ab, dass der Ablehnungsbescheid rechtmäßig sei.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger eine Opferentschädigungsrente begehrt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe bei Erlass des Ablehnungsbescheides das Recht weder unrichtig angewandt noch sei er von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Denn es sei nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 30. Oktober 2004 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei. Selbst wenn dies der Fall sei, wären ihm die begehrten Versorgungsleistungen nach § 2 OEG zu versagen, da der Kläger sich bewusst oder leichtfertig, d.h. grob fahrlässig, der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt habe. Denn er habe die beiden Angriffe auf sich schuldhaft herausgefordert. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Polizei sei er der Aufforderung des Täters wegzugehen nicht nachgekommen, worauf er den ersten Faustschlag erhalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht die anwesenden Polizeibeamten über die Sachbeschädigungen informiert habe. Nach dem ersten Schlag habe der Kläger den Täter verfolgt, habe auf dessen Drohungen, ihn umzubringen, nach eigenen Angaben erwidert, dass er keine Angst habe und der Täter sich mit ihm auf der nahe gelegenen Wiese schlagen könne. Daraufhin sei er erneut mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Damit habe sich der Kläger absolut leichtfertig in die Gefahr eines weiteren tätlichen Angriffs begeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Hierzu wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Dezember 2015 aufzuheben, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 3. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 aufzuheben und ihm eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren S...

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