Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Gebührenfreiheit einer Kommune bei Ausführung von Landesaufgaben aufgrund gesetzlicher Zuweisung
Orientierungssatz
Wird eine Kommune in einem Rechtsstreit für ein Land aufgrund gesetzlichen Zuweisung der Gesetzesausführung im Rahmen einer Landesaufgabe tätig (hier: Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz), so greift ausnahmsweise auch zugunsten der Kommune die für den Bund und die Länder vor den Sozialgerichten bestehende Gebührenfreiheit.
Tenor
Auf die Erinnerung gegen die Feststellung der Pauschgebühr in Höhe von 112,50 Euro vom 7. November 2016 im Verfahren L 17 EG 11/13 wird diese aufgehoben.
Gründe
Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung ist § 184 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 186 SGG, nach dem sich die Gebühr von 225,- Euro um die Hälfte vermindert, wenn das Verfahren - wie hier - sich nicht durch Urteil erledigt.
Allerdings ist die Erhebung der Gebühr von 112,50 Euro deshalb rechtswidrig, da die Befreiungsvoraussetzungen nach § 184 Abs. 3 SGG i.V.m § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) vorliegen.
Die Voraussetzungen der Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG liegen hier vor, da zwar vorliegend nicht der Bund oder ein Land, sondern eine Kommune zum Pauschbetrag herangezogen wird, diese aber nicht zur eigenen Aufgabenerfüllung tätig geworden ist, sondern allein zur Erfüllung von Aufgaben des Landes. Denn nach § 12 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) bestimmt die Landesregierung die für die Ausführung des Gesetzes zuständige Behörde. Diese Zuständigkeitsbestimmung ist für das Land Brandenburg erfolgt in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten zur Durchführung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEGZV; GVBl. II 2007, 11). Unter den Voraussetzungen des § 12 BEEG hätte das Land aber auch jede unselbständige Behörde der unmittelbaren Landesverwaltung an Stelle eines Trägers der kommunalen Selbstverwaltung für zuständig erklären können. Dies zeigt, dass es vorliegend letztlich um Landesverwaltung, wenn auch im Rahmen eines Auftrags geht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BEEGZV). Aus der Perspektive des allgemein anerkannten Grundsatzes, dass der Träger der Gerichtshoheit keine Gebühren an sich selbst zahlen soll (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer; SGG, 11. Auflage, § 184, Rn. 4), ist die Kostenbefreiung daher auch im Falle der kommunalen Auftragsverwaltung von Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift des § 2 Abs. 1 GKG gedeckt. So greift die Gebührenbefreiung auch bei Stadtstaaten, wie z.B. Berlin, unabhängig davon, ob zwischen staatlichen und gemeindlichen Angelegenheiten getrennt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer; SGG, 11. Auflage, § 184 Rn. 4 m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn Landesverwaltung nicht durch unselbstständige Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung ausgeübt wird, sondern kraft Auftrags.
Allerdings dürften die Voraussetzungen nach § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) i.V. m. § 2 Abs. 3 GKG entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift sind in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u. a. die Träger der Sozialhilfe und der Jugendhilfe von den Gerichtskosten befreit, die nach allgemeiner Meinung auch die Pauschgebühren umfassen (Leitherer, a.a.O., § 184 Rn. 4a).
Der Beklagte des Verfahrens L 17 EG 11/13, in dem es um die Gewährung von Elterngeld ging, müsste daher als Träger Sozialhilfe oder Jugendhilfe in Anspruch genommen worden sein, um sich auf die Befreiungsvorschrift berufen zu können. Da das Elterngeld ohne Zweifel keine Leistung der Sozialhilfe ist (vgl. § 28 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch-SGB I), kommt die Befreiung von der Gebührenpflicht nur in Betracht, wenn die Erbringung von Elterngeld sich als Leistung der Jugendhilfe charakterisieren lässt oder mit dieser Aufgabe in engem sachlichen Zusammenhang steht (Roos in von Wulffen, Schütze, SGB X, § 64 Rn 18 b).
Allerdings ist die Erbringung von Elterngeld weder in § 27 SGB I (Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe) noch in § 2 des Sozialgesetzbuch/Achtes Buch (SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe) als Aufgabe der Jugendhilfe definiert.
Ob ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, der auch die Befreiung nach § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X rechtfertigen könnte, kann allerdings offen bleiben, nachdem die Befreiungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 GKG bejaht wurden.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 189 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen
Dokument-Index HI10876601 |