Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten der Unterkunft. Heizkosten. Prozesskostenhilfe. wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens. kein Bagatellstreit. Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Bagatellstreitigkeiten

 

Orientierungssatz

1. Gegen Beschlüsse über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist die Beschwerde uneingeschränkt zulässig.

2. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht dürfen bei der Entscheidung über die Bewilligung von PKH nicht überspannt werden. Erscheint das klägerische Begehren nicht ohne Erfolgsaussicht, ist PKH zu gewähren.

3. Für einen Bagatellstreit ist PKH nicht zu bewilligen. Für die Gewährung von PKH ist bei begrenzter wirtschaftlicher Bedeutung des Rechtsstreits entscheidend, ob ein Unbemittelter vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen würde.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird ihr unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 29. September 2006 für das Verfahren vor dem Sozialgericht Potsdam Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H-W S, Z V J gewährt.

 

Gründe

In der Hauptsache ist streitig, ob der Klägerin in der Zeit vom 01. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 monatlich um 11,25 EUR höhere Grundsicherungsleistungen zustehen. Die Klägerin trägt dazu vor, die tatsächlich aufzubringenden Heizkosten überstiegen in diesem Umfang die von der Beklagten ihrer Leistung zugrunde gelegten Pauschalen. Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat mit Beschluss vom 29. September 2006 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft. Nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde statt, soweit nicht in diesem Gesetz (dem SGG) anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung ist nicht nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG getroffen, wenn dort die entsprechende Geltung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH vorgesehen ist. Die ZPO kennt in § 127 Abs. 2 Satz 2 für den Fall der Ablehnung von PKH, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers gestützt wurde, einen Ausschluss der Beschwerde, wenn “der Streitwert in der Hauptsache den in § 511 (der ZPO) genanntem Betrag (= 600,00 EUR) nicht übersteigt„. Die entsprechende Anwendung dieses Ausschlusses bezogen auf den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (= 500,00 EUR) ist verschiedentlich vorgenommen worden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. September 2005, L 8 AL 1862/05 PKH - B; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06. Dezember 2005, L 8 B 147/05 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2007, L 25 B 109/07 AS PKH). Mit einer weiteren Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 02. Januar 2007 - L 13 AS 4100/06 PKH - B), der sich der Senat anschließt, ist demgegenüber festzuhalten, dass keine ausreichende Rechtsgrundlage für einen Beschwerdeausschluss besteht. Dem steht entgegen, dass ein solcher Ausschluss durch einen Rückgriff auf § 144 SGG einen anderen (weitergehenden) als den zivilprozessual vorgesehenen Inhalt hätte und dass er - erstreckt auf das Erkenntnisverfahren nach dem SGG - auch Fälle erfassen würde, in denen in der Hauptsache eine Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist, die sachliche Befassung des Berufungsgerichts mit der Entscheidung des Vordergerichts also anders als in den nach der ZPO erfassten Fallgestaltungen im Rahmen eines ordentlichen Rechtsbehelfs vorgesehen ist. Zudem überzeugt der Hinweis auf die Gesetzgebungshistorie des 6. SGG-ÄndG. Der Entwurf zu diesem Gesetz (dort § 172 Abs. 1 Satz 2, s BT-Drucks 14/5943 S 11) hatte einen Ausschluss der Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 86b SGG und im Verfahren über die PKH vorgesehen. Dieses ausdrücklich mit dem so genannten Konvergenzgedanken (steht in der Hauptsache nur eine Instanz zur Verfügung, besteht kein Grund, für die wirtschaftliche weniger bedeutsamen Nebenentscheidungen einen weitergehenden Instanzenzug zu eröffnen) begründete Vorhaben (aaO S 27) wurde im Anschluss an die Ausschussberatungen unter Bezugnahme darauf, ein der Verwaltungsgerichtsordnung vergleichbarer Rechtszustand solle beibehalten werden, bewusst und gewollt nicht umgesetzt.

Die danach auch in Ansehung des Umstandes, dass der Beschwerdewert in der Hauptsache einen Betrag von 500,00 EUR nicht erreicht, statthafte Beschwerde ist auch begründet. Der Klägerin ist PKH unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu gewähren, da sie nach ihren - hier mit Blick auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht näher darzulegenden - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen und der Rechtsstreit auch Erfolgsaussicht hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 115 ZPO).

Nach § ...

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