Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Organisationsverschulden. Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle bei der Telefaxübermittlung fristwahrender Schriftstücke

 

Orientierungssatz

1. Eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze erfordert bei der Übersendung von Fristsachen per Telefax, dass Notfristen erst dann gelöscht werden dürfen, wenn das fristwahrende Schriftstück auch wirklich abgesendet ist oder jedenfalls sichere Vorsorge dafür getroffen worden ist, dass das postfertige Schriftstück tatsächlich hinausgeht (Vergleiche BGH, Beschluss vom 28. September 1989 - VII ZB 9/89).

2. Bei der Übersendung von Fristsachen per Telefax sind durch organisatorische Maßnehmen Fehlerquellen nur dann in größtmöglichem Umfang ausgeschlossen, wenn der Absender sich von seinem Telefaxgerät ein Sendeprotokoll hat ausdrucken lassen, das die ordnungsgemäße Übermittlung belegt (Vergleiche BSG, Beschluss vom 19. Mai 2005 - B 10 EG 3/05 und Beschluss vom 29. April 2005 - B 13 RJ 50/04 R).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 16. Januar 2004 wird als unzulässig verworfen.

Kosten haben die Beteiligten auch für das Berufungsverfahren einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Berechtigung der Klägerin über die Bereitstellung von Belegbetten der Fachrichtung Gynäkologie für Versicherte der Beklagten im Streit.

Die Klägerin betreibt die Hklinik in B, die seit Anfang der 70er Jahre Vertragskrankenhaus ist.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 16. Januar 2004 die Klage abgewiesen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. März 2004 eingelegte Berufung der Klägerin.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2004 (Eingang beim Landessozialgericht Berlin per Fax am 24. Mai 2004) hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Bei Eingang des Urteils vom 16. Januar 2004 seien als Ablauffrist der 1. März 2004 und der 20. Februar 2004 eingetragen worden. Am 20. Februar 2004 sei der Klägerbevollmächtigten die Akte unter Hinweis auf die bevorstehende Ablauffrist am 1. März 2004 vorgelegt worden. Dabei würden die Akten, bei denen ein Fristablauf folge, gesondert dem bearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt. Hierzu werde ein signalgelber Zettel mit den nochmals notierten Ablauffristen auf die Akte geklebt und parallel erinnere die Mitarbeiterin daran, dass es sich hierbei um Fristablaufakten handele. So sei es auch hier geschehen. Die als Promptfrist notierte Wiedervorlagefrist sei als erledigt gestrichen worden. Am 1. März 2004 sei die Berufungsschrift gefertigt worden und unterschrieben ins Sekretariat mit folgender Anweisung gegeben worden: Kopie für die Akte, Kopie für Mandanten, Original per Fax an Gericht (not), Original mit 2 Kopien per Post ab, begl. Kopie Urteil beifügen. Gleichzeitig sei die Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich um eine Fristakte handele und “der Schriftsatz per Fax noch raus müsse„. Die Büroanweisung in der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten für die Versendung von Telefaxen laute, Prüfung und Vergleich der anzuwählenden Telefaxnummer, Prüfung der rechtsverbindlichen Unterzeichnung der jeweiligen Schriftsätze, bei Fristsachen oder sonstigen Nachweissachen Ausdruck eines Faxprotokolls und Vergleich der Adressatennummer sowie der Anzahl der zu versendenden Seiten mit den als gesendet angeführten Seiten. In dieser Weise verführen die Mitarbeiter, was auch regelmäßig geprüft würde. Die Klägerbevollmächtigte habe sich persönlich am Nachmittag des 1. März 2004 davon überzeugt, dass sämtliche für den Tag im Fristenkalender notierten Fristen als erledigt gestrichen gewesen seien. Hinter den erteilten Verfügungen sei der Erledigungsvermerk verzeichnet gewesen, so auch die Verfügung: Original per Fax an Gericht (not). Die Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten sei ausgebildete Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfin und seit 3 Jahren in der Kanzlei tätig. Sie habe sich als zuverlässige Mitarbeiterin herausgestellt und stets einwandfrei gearbeitet. Die Tätigkeit werde regelmäßig stichprobenartig überwacht, Beanstandungen seien nicht festzustellen gewesen. Es sei nicht aufzuklären, warum die Verfügung als erledigt abgezeichnet worden sei, indes der Berufungsschriftsatz nicht per Fax abgesandt worden sei. Dazu sind Kopien des Fristenkalenders vom 20. Februar 2004 und 1. März 2004 sowie Kopien der Verfügung und der Erledigungsnotiz der Anwaltsgehilfin sowie eine eidesstattliche Versicherung der Anwaltsgehilfin vom 17. Mai 2004 vorgelegt worden. Wörtlich heißt es darin: “Üblicherweise habe ich bei dem Versenden von Telefaxen noch einmal die Nummer des Adressaten zu vergleichen sowie zu prüfen, ob die Schriftsätze auch unterzeichnet sind. Fristsachen oder sonstige Sachen, die des Nachwei...

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