Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vereinbarung zu pharmazeutischen Dienstleistungen gem § 129 Abs 5e S 4 SGB 5. Schiedsspruch nach § 129 Abs 7 SGB 5. Verwaltungsaktqualität nur gegenüber den am Schiedsverfahren Beteiligten. unstatthafter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch Kassenärztliche Vereinigung
Leitsatz (amtlich)
Schiedssprüchen nach § 129 Abs 7 SGB 5 kommt nur gegenüber den am Schiedsverfahren Beteiligten Verwaltungsaktqualität zu; im Übrigen wirken sie normativ.
Orientierungssatz
Da die antragstellende Kassenärztliche Vereinigung am Schiedsverfahren nicht beteiligt war, wirkt der Schiedsspruch (bezüglich pharmazeutischer Dienstleistungen gem § 129 Abs 5e SGB 5) ihr gegenüber nur normativ, so dass sowohl die von ihr erhobene Anfechtungsklage als auch der von ihr gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unstatthaft sind.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2022 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000.- € festgesetzt.
Gründe
I. Die antragstellende Kassenärztliche Vereinigung (KV) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der (gemeinsamen) Schiedsstelle nach § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - (im Folgenden: Schiedsstelle). Die Schiedsstelle entschied in einem Schiedsverfahren zwischen dem Deutschen Apothekerverband e.V. (Beigeladener zu 1) und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Beigeladener zu 2) aufgrund einer am 19. Mai 2022 durchgeführten mündlichen Verhandlung über fünf pharmazeutische Dienstleistungen nach § 129 Abs. 5e SGB V, die Anforderungen an deren Erbringung sowie deren Vergütung. Nach dieser Vorschrift vereinbart die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung nach näheren Maßgaben pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheken. Die im Schiedsspruch vorgesehenen Dienstleistungen werden als Anhang zu Anlage 11 des zwischen den Schiedsparteien geschlossenen Rahmenvertrags nach § 129 Abs. 2 SGB V geführt und als „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“, „Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten“, „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“, „Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“ und „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ bezeichnet. Zeitgleich mit ihrem am 10. August 2022 bei Gericht eingegangenen Eilantrag hat die Antragstellerin auch Klage gegen den o.g. Schiedsspruch erhoben (L 4 KR 290/22 KL).
Die Antragstellerin begründet ihren Eilantrag wie folgt:
Ihr Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Schiedsspruchs bereits deshalb, weil dieser offensichtlich rechtswidrig sei, aber auch weil sie - die Antragstellerin - und ihre Mitglieder bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihren Sicherstellungsauftrag nicht vollständig erfüllen könnten. Indem der Schiedsspruch den approbierten Apothekerinnen und Apothekern die Erbringung von Leistungen ermögliche, welche in bestimmten Fällen in das Arzt-Patienten-Verhältnis und damit die notwendige Therapieentscheidung des Arztes eingriffen, würden die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an der Erbringung ärztlicher Leistungen überhaupt sowie an der Erbringung in geschuldeter Qualität gehindert. Dadurch könne sie - die Antragstellerin - bei der Versorgung schwerer Erkrankungen ihrem Sicherstellungsauftrag in Bezug auf die ambulante Versorgung nicht hinreichend nachkommen. Indem die Erbringung pharmazeutischer Leistungen explizit Schnittmengen mit originären ärztlichen Leistungen und damit ihrem - der Antragstellerin - Sicherstellungsauftrag aufweise, werde bereits dem Grunde nach eine fundamentale Gesundheitsgefährdung dahingehend begründet, als dass die Erbringung der pharmazeutischen Leistungen sowohl in nicht koordinierter Weise als auch nicht in der hierfür sicherzustellenden erforderlichen Qualität erfolge. Die gesetzgeberischen Erwägungen setzten sich nicht einmal mit der Frage potentieller Überschneidungen mit dem Sicherstellungsauftrag einer KV auseinander. Da die Befassung mit möglichen Überschneidungen mit dem Sicherstellungsauftrag gänzlich fehle, sei mit Blick auf diesen nicht unerheblichen „gesetzgeberischen / normgebenden Abwägungsausfall“ das Vollzugsinteresse am Schiedsspruch schon von vornherein zu verneinen. Der Bundesgesetzgeber habe mit der Schaffung des § 129 Abs. 5e SGB V kein effektives Ineinandergreifen der „Systeme“ gewährleistet. Der Sofortvollzug des Schiedsspruches gehe gleichzeitig zulasten der Patienten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2022 anzuordne...