Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungsbeschränkung. keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage. Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber dem Rentenversicherungsträger bei Bewilligung einer Altersrente. Erstattungspflicht bezüglich der rückwirkenden Rentennachzahlung. kein Erstattungsanspruch bei rechtswidriger Bewilligung von Arbeitslosengeld II für einen Monat in Kenntnis der Rentenbewilligung. Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Monat und Erstattungsanspruch gemäß §§ 48, 50 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage, bis wann ein Rentenversicherungsträger, der rückwirkend eine Altersrente gewährt, dem Leistungen nach dem SGB II erbringenden Grundsicherungsträger zur Erstattung verpflichtet ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

2. Der Erstattungsanspruch aus § 40a S 2 SGB II greift nur ein, soweit die Rente rückwirkend bewilligt wird.

3. Soweit die Rente für die Zukunft zugesprochen wird, gilt § 40a S 1 SGB II. Bei der dort normierten Verweisung auf § 104 SGB X handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung.

4. Der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt ua voraus, dass die Leistungen durch den Grundsicherungsträger rechtmäßig erbracht wurden. Dies dürfte bei Arbeitslosengeld II, das einer Person für einen Monat ausgezahlt wird, für den bereits eine Altersrente zugesprochen worden ist, nicht der Fall sein.

5. Die in § 42 Abs 1 SGB II und § 118 Abs 1 S 1 SGB VI vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkte können nicht im Rahmen von Erstattungsansprüchen aus Praktikabilitätserwägungen heraus unterlaufen werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 746,22 € festgesetzt.

 

Gründe

Die Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Juli 2020, mit dem sie verurteilt worden ist, dem Kläger für den Monat August 746,22 € zu erstatten.

Der Kläger erbrachte dem am 1951 geborenen H-J R und dessen Ehefrau (im Folgenden: Leistungsbezieher) im Jahre 2015 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Mit Bescheid vom 8. Juni 2015 gewährte er ihnen für das zweite Halbjahr 2015 Arbeitslosengeld II.

Mit am 8. Juni 2015 bei dem Kläger eingehendem Schreiben vom 4. Juni 2015 informierte die Beklagte den Kläger, dass der Leistungsbezieher - auf die entsprechende Aufforderung des Klägers hin - eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem gewünschten Rentenbeginn ab dem 1. August 2015 beantragt habe. Unter dem 16. Juni 2015 meldete daraufhin der Kläger einen Erstattungsanspruch an. Mit - bei dem Kläger am 17. Juli 2015 eingegangenem - Schreiben vom 15. Juli 2015 unterrichtete die Beklagte den Kläger über die Bewilligung einer Altersrente ab dem 1. Mai 2015 und führte im Einzelnen aus, wie hoch die Nachzahlung bis einschließlich 31. Juli 2015 sei und in welcher Höhe ab dem 1. August 2015 die monatliche Rente gezahlt werde. Mit Schreiben vom 4. August 2015 verwies der Kläger darauf, Leistungen bis zum 31. August 2015 gezahlt zu haben, und bezifferte für die Monate Mai bis August 2015 einen Erstattungsanspruch auf insgesamt 2.947,20 € (davon für August 2015: 746,22 €). Ab September 2015 berücksichtigte er bei der Leistungsbewilligung die Rentenzahlung. Die Beklagte teilte dem Kläger mit am 19. August 2015 eingegangenem Schreiben vom 17. August 2015 mit, ihm einen Betrag in Höhe von 2.200,98 € überwiesen zu haben, und verwies darauf, dass die Nachzahlung lediglich bis einschließlich Juli zur Verfügung stehe. Hiergegen wandte der Kläger sich unter dem 15. September 2015 und machte geltend, dass die Leistungen nach dem SGB II im Voraus gezahlt würden, die Bitte um Bezifferung erst am 17. Juli 2015 bei ihm eingegangen sei und die Leistungen für den Monat August 2015 nach dem SGB II daher bereits ausgezahlt gewesen seien. Die Beklagte habe ihm eine gewisse Bearbeitungszeit zur Bezifferung des Erstattungsanspruchs von ca. drei Wochen einzuräumen. Es sei somit nicht mehr möglich gewesen, die Zahlung für August 2015 rechtzeitig einzustellen. Unter dem 6. Oktober 2016 lehnte die Beklagte eine weitere Erstattung mit der Begründung ab, dass eine zeitliche Kongruenz zwischen der Vorleistung und der Nachzahlung bestehen müsse. Der Nachzahlungszeitraum habe im Juli 2015, dem Monat, der dem Monat der Aufnahme der laufenden Zahlung - hier dem August 2015 - vorausgehe, geendet. Nach § 104 Abs. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) richte sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Damit solle sichergestellt werden, dass der letztlich verpflichtete Leistungsträger nicht mehr zu erstatten habe, als er selber an den Berechtigten zu zahlen habe. Die Rückforderung für Augus...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge