Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Erreichen des Berufungsstreitwerts als Beschwerdevoraussetzung
Orientierungssatz
Auch im sozialgerichtlichen Verfahren findet eine Beschwerde gegen einen die Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluss nur statt, wenn in der Hauptsache der Berufungsstreitwert gemäß § 143, 144 SGG erreicht ist.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Februar 2011 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinn trifft § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG (s., auch zum folgenden, ausführlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2010 - L 34 AS 2015/09 B PKH mit Hinweis auf die gleichfalls ausführliche Darstellung des - kontroversen - Meinungsstands bei LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 B AL, Breithaupt 2008, 906). Danach gelten im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend, das sind deren §§ 114 bis 127a.
Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600,-- €) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat - was hier nicht der Fall ist - ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Zwar treten im sozialgerichtlichen Verfahren an die Stelle des in § 511 ZPO genannten Betrags die Voraussetzungen, die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG zur Zulässigkeit der Berufung kraft Gesetzes führen; denn die Vorschrift ist “entsprechend„, also die Verhältnisse der Sozialgerichtsbarkeit außerhalb des Rechts der Prozesskostenhilfe berücksichtigend, anzuwenden. Der vom Kläger geltend gemachte Betrag von 597,25 € erreicht aber bereits nicht den in § 511 ZPO genannten Wert und damit erst recht nicht den Betrag von 750,-- €, der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Zulässigkeit von Klagen auf Geld-, Dienst- oder Sachleistungen (oder darauf gerichtete Verwaltungsakte) maßgeblich ist, die - wie im vorliegenden Fall - weder wiederkehrende noch laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen. Die Beschwerde ist angesichts dessen im vorliegenden Fall nicht statthaft.
Der Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht nicht allgemein entgegen, dass § 172 Abs. 3 SGG Fallgestaltungen regelt, in denen die Beschwerde abweichend von § 172 Abs. 1 SGG ausgeschlossen ist. § 172 Abs. 1 SGG lässt Abweichungen von der Zulässigkeit der Beschwerde ausdrücklich “nach diesem Gesetz„ - also dem SGG insgesamt - zu, sodass § 172 Abs. 3 SGG keinen abschließenden Charakter hat. Der Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht auch nicht konkret entgegen, dass nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG ordnet die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe an. Würde § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht angewendet, ergäbe sich im sozialgerichtlichen Verfahren entgegen der Grundentscheidung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG eine im Vergleich zur ZPO im Wesentlichen spiegelverkehrte Regelung der Zulässigkeit der Beschwerde: Sie wäre bei ausschließlicher Verneinung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen (wegen § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG) gerade in dem Fall immer ausgeschlossen, in dem sie nach der ZPO - ausnahmsweise - zulässig ist. In dem Fall, in dem sie nach der ZPO mangels erreichter Berufungssumme im Regelfall unzulässig wäre, wäre sie im sozialgerichtlichen Verfahren dagegen immer zulässig. Ist § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO dagegen anwendbar, bleibt § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG der Zweck, die Rechtsmittel im Prozesskostenhilfeverfahren abweichend von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO einzuschränken. Dies wiederum entspricht der Zielsetzung § 172 Abs. 3 SGG, die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und das sozialgerichtliche Verfahren zu straffen (s. Bundestags-Drucksache 16/7716, 1, 2 und 12).
Für die Zulässigkeit der Beschwerde hat keine Bedeutung, ob die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zugelassen werden kann. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO stellt nur auf einen Zahlenwert ab, nicht auf einen (ebenfalls in § 511 ZPO) genannten Grund für die Zulassung der Berufung.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Gegen diesen Beschluss ist die...