Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Verweisung. Rechtsstreit über Amtspflichtverletzungen. gleichzeitige Geltendmachung eines sozialrechtlichen Anspruchs. keine Teilverweisung an das zuständige Zivilgericht. Berücksichtigung von Vortrag im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, dh für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, nicht eröffnet ist.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte abzusehen, wenn daneben auch ein sozialrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird.
3. Im Beschwerdeverfahren sind alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2023 aufgehoben. Für das Verfahren ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (nachfolgend nur Kläger) wendet sich gegen eine Verweisung seines Klageverfahrens an das Landgericht Berlin.
Der Kläger kaufte sich am 17. November 2021 und am 23. November 2021 jeweils gegen Vorlage eines Privatrezepts in der Apotheke das potenzsteigernde Arzneimittel Caverject. Er bezahlte hierfür 42,65 € bzw. 168,85 €. Mit Bescheid vom 29. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2022 lehnte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (nachfolgend nur Beklagte) seinen nachfolgenden Antrag auf Erstattung dieser Kosten mit der Begründung ab, dass Caverject als sog. Lifestyle-Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen sei und der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Nachdem der Widerspruchsbescheid von der Post an die Beklagte zurückgeschickt worden war mit dem Hinweis, dass der Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei, wurde er am 4. Oktober 2022 per Einwurf-Einschreiben erneut an den Kläger übersandt und dem Kläger nach dessen Angaben am 8. Oktober 2022 zugestellt.
Mit seiner am 31. Oktober 2022 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst wörtlich beantragt, „die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus vorsätzlich begangener, unerlaubter Handlung 1.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen“. Er hat ausgeführt, die Beklagte verletze sein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung im Sinne des § 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Somit sei die Anspruchsvoraussetzung gegeben, die das Gesetz vorsehe, um immaterielle Schäden zu ersetzen. In Verbindung mit dem Generalschadenersatzparagraf § 823 BGB habe die Beklagte schuldhaft seine psychische Gesundheit verletzt. Ursprünglich, also bis zu dem streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten vom 4. Oktober 2022, sei es lediglich um die Kosten des Medikaments Caverject gegangen. Durch die besonders verletzende, erniedrigende Art und Weise der Ablehnungsbegründung der Beklagten, in der diese ihn verleumdet habe, indem sie behaupte, er habe gar keine Krankheit der erektilen Dysfunktion, sondern wolle seine Potenz lediglich noch weiter steigern, verletze die Beklagten vorsätzlich seine Persönlichkeitsrechte, insbesondere sein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Es gehe um die völlig inakzeptable Begründung der Ablehnung der Kostenübernahme und nicht um die Tatsache der Ablehnung der Kostenübernahme als solches.
Nachdem das Sozialgericht den Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2023 zu der beabsichtigten Verweisung ans Landgericht angehört hatte, worauf der Kläger mitgeteilt hatte, dass er das Kostenrisiko einer Klage zu den ordentlichen Gerichten nicht tragen könne, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 6. Februar 2023 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Für den vom Kläger gestellten Antrag komme allein ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB in Betracht. Für diesen Anspruch sei nach Art. 34 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ausschließlich der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben (vgl. § 17 Abs. 2 Satz2 Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]). Sachlich und örtlich zuständig sei das Landgericht Berlin (vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, § 32 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Nach Erlass, aber noch vor Zustellung des Beschlusses hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023 zur Klageerwiderung der Beklagten vom 27. Januar 2023 Stellung genommen und ausgeführt, dass es „diese Klage nic...