Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Grundsicherungsberechtigten auf Zusicherung des Grundsicherungsträgers der Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft bei beabsichtigtem Umzug im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich kann die vorläufige Zusicherung des Grundsicherungsträgers zu den angemessenen Kosten der Unterkunft bei einem beabsichtigten Umzug im Wege des einstweiligen Rechtschutzes nach §§ 22 Abs. 4, 86b Abs. 2 S. 2 SGG begehrt werden.
2. Fehlt es dabei an der Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft der avisierten Wohnung i. S. von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2, so fehlt es damit an dem für die Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz erforderlichen Anordnungsanspruch, mit der Folge, dass einstweiliger Rechtschutz zu versagen ist.
3. § 67 SGB 2 dient nicht dazu, die Vorschriften des SGB 2 i. S. eines Sonderrechts der Pandemie außer Kraft zu setzen. Abs. 3 S. 1 dieser Vorschrift verweist ausschließlich auf § 22 Abs. 1 und nicht auf § 22 Abs. 4 SGB 2. Die Vorschrift gilt daher nicht für die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB 2.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihm eine - vorläufige - Zusicherung zu den Aufwendungen der Wohnung F-Allee, ., B zu erteilen (lt Wohnungsangebot Bruttokaltmiete mtl 805,42 €, Heiz- und Warmwasserkosten mtl 57,94 €), ist nicht begründet.
Es besteht zwar, da ein Umzug bislang nicht erfolgt und auch noch kein Mietvertrag abgeschlossen worden ist, (noch) ein Rechtsschutzbedürfnis für die einstweilige Anordnung ungeachtet dessen, dass die damit erstrebte Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ist (vgl zu der gleichlautenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 2 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung schon Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 - Rn 27). Denn der Zusicherung gemäß § 22 Abs. 4 SGB II, bei der es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 219/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 57 - Rn 11 mwN), kommt die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren KdUH übernommen werden. Die Regelung dient damit ua auch dem Schutz des Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen einer etwaigen „Deckelung“ nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (vgl BSG, Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 10/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 40 - Rn 17). Der Antragsteller bezieht sich auch auf ein konkretes Wohnungsangebot (vgl zu diesem Erfordernis etwa BSG, Urteil vom 25. April 2018 - B 14 AS 21/17 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 95 - Rn 23).
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners wäre mit seiner vorläufigen Verpflichtung auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden. Die Hauptsache würde durch eine dem Begehren des Antragstellers entsprechende einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG nicht vorweg genommen, da eine endgültige Klärung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens sowohl nachträglich möglich also auch zumutbar ist. Einem Hauptsacheverfahren nach erfolgtem Umzug zur speziellen Frage, ob die beantragte Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II zu Recht oder zu Unrecht abgelehnt wurde, fehlte jedenfalls im Hinblick auf die nicht vom Antragsgegner übernommenen tatsächlichen Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht das Rechtsschutzbedürfnis (vgl BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 219/10 R - Rn 12, anders möglicherweise bei bereits anhängigem sozialgerichtlichen Verfahren zur Höhe der KdUH BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 5/10 R - juris - Rn 14f; vgl zum Ganzen auch Sächsisches Landessozialgericht ≪LSG≫, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - L 7 AS 245/20 B ER - juris). Ob die Erteilung der begehrten Zusicherung im Wege einer einstweiligen Anordnung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der SGB II-Leistungsträger zur Erteilung einer (endgültigen) Zusicherung iSv § 22 Abs. 4 SGB II in aller Regel nicht verpflichtet werden kann, sondern allenfalls zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft, und zwar deshalb, weil die hier begehrte (grundsätzlich) "vorläufige Zusicherung" für einen Leistungsberechtigten letztlich nur dann von Nutzen ist, wenn sie auf Dauer Bindungswirkung entfaltet, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (vgl etwa mit Hinweisen auf die Rspr weiterer Landessozialgerichte Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 11. November 2020 - L 6 AS 153/20 B ER / L 6 AS 356/20 B PKH - juris - Rn 5).
Denn ungeachtet eine...