Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsmittelbelehrung. durch Prozessgestaltung statthaft werdende Rechtsmittel. keine Belehrungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Über Rechtsmittel, die erst durch nach Erlass der Rechtsmittelbelehrung erfolgte prozessuale klägerische Gestaltungsmöglichkeiten (Beschränkung des Streitgegenstandes) statthaft werden, braucht das SG nicht zu belehren.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger begehren im Beschwerdeweg die Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2017.

Die Kläger haben mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht von dem Beklagten für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Oktober 2014 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Regelleistungen für 12 Monate zu bewilligen sowie Zinsen für die zunächst nicht bewilligten Kosten der Unterkunft für die Monate Juli bis Oktober über einen Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 31. März 2016 zu zahlen. Die Klage wurde nach Abgabe eines Teilanerkenntnisses des Beklagten bezüglich der Kosten der Unterkunft für Juli bis Oktober 2014 durch Gerichtsbescheid vom 28. August 2017 abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung in dem Gerichtsbescheid wurden die Kläger über die Möglichkeit der Berufungseinlegung belehrt.

Nachdem der Gerichtsbescheid den Klägern am 1. September 2017 zugestellt worden ist, haben die Kläger am 26. September 2017 Berufung eingelegt.

Mit der Berufung begehren sie lediglich noch die Zahlung der Zinsen aus den verspätet gezahlten Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 63,39 Euro.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2018 hat der Senat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Berufung zurückgewiesen, da die Berufung mangels Erreichen des Berufungsbeschwerdewertes nicht zulässig sei.

Am 12. September 2018 hat der Klägerbevollmächtigte die Nichtzulassungs-beschwerde erhoben. Da das Sozialgericht über die Möglichkeit der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht belehrt hat, sei diese nach § 66 Abs. 2 S. 2 SGG unbefristet möglich.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, aber verfristet und war daher zu verwerfen.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil bzw. Gerichtsbescheid des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, den Betrag von 750,00 EUR nicht übersteigt. Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht.

Nach § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht einzulegen. Diese Frist ist hier nicht gewahrt. Entgegen der Ansicht der Kläger ist ein Rechtsmittel bei unrichtiger oder fehlender Rechtsmittelbelehrung nicht unbefristet einlegbar. Die Frist wird zugunsten des Rechtsfriedens durch den Gesetzgeber in § 66 Abs. 2 S. 1 SGG auf ein Jahr begrenzt, außer es wird dahingehend eine Belehrung erteilt, dass kein Rechtsbehelf gegeben ist.

Eine Rechtsmittelbelehrung ist hier erfolgt. Die Kläger haben aber weder in der Monatsfrist noch innerhalb der Jahresfrist die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Der Gerichtsbescheid ist den Klägern am 1. September 2017 zugestellt worden. Die Jahresfrist lief damit am 3. September 2018, da der 1. September 2018 auf einen Samstag fiel, ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde ging erst am 12. September 2018 beim Landessozialgericht und damit verspätet ein.

Das Rechtsmittel ist hier auch nicht deshalb unbefristet nach § 66 Abs. 2 S. 1 SGG einlegbar, weil das SG in der Rechtsmittelbelehrung nicht darauf hingewiesen hat, dass im Falle einer nur teilweisen Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG nicht mehr zulässig ist und den Klägern nur die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zusteht, (so auch LSG Sachsen, Beschluss vom 3.3.2008, - L 3 AL 140/06 NZB; Habel, NZS 2018, 638, 639, beck-online; offen lassend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.2011, - L 13 AS 393/11 NZB). Dies ergibt sich auch nicht aus der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger genannten Entscheidung des BSG vom 14. Dezember 2006,- B 4 R 19/06R. Der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 25. Juni 1985, - 8 C 116/84) folgend, hat das BSG dort ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG auch dann vorliegen, wenn eine Belehrung über ein nicht statthaftes statt über ein statthaftes Rechtsmittel erfolgt. Vorliegend hat das Sozialgericht - ausgehend vom erstinstanzlichen Streitgegenstand - über das statthaft...

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