Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der Verpflichtung zur Krankenversicherung zwischen PKV und GKV. Beteiligung bzw Beiladung der privaten Krankenkasse im Verwaltungs- bzw sozialgerichtlichen Verfahren. Unmittelbar vor Arbeitslosengeld II-Bezug privat krankenversichert
Leitsatz (amtlich)
1.) Will eine gesetzliche Krankenkasse die Versicherungspflicht eines Hilfesuchenden in der GKV nach § 5 Abs. 5a SGB V zu Lasten einer privaten Krankenkasse ablehnen, muss sie die private Krankenkasse an dem bei ihr geführten Verwaltungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) beteiligen und ihr ihre Entscheidung bekannt geben, weil diese wegen der Ausschließlichkeit des Bestehens privaten oder gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes für die private Krankenkasse rechtsgestaltende Wirkung hat. In den sozialgerichtlichen Klageverfahren wie in den Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist dieser Rechtslage durch die Beiladung des privaten Krankenversicherungsunternehmens nach § 75 Abs. 2 SGG Rechnung zu tragen.
2.) Unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert ist nur, wer am Tag vor dem Beginn der Leistungsgewährung privat krankenversichert war.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Dezember 2009 geändert. Es wird im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren, bis über den Leistungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin unter Beteiligung der Beigeladenen in einem einheitlichen Verwaltungsverfahren bestandskräftig entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der 1959 geborene ungelernte Antragsteller war zwischen März 1996 und Dezember 2006 als Kfz-Aufbereiter (Pflege und Aufarbeitung von Fahrzeugen) selbständig tätig und von Mai 1998 bis Februar 2000 bei der Beigeladenen, einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, gegen Krankheit versichert. In der Zeit vom 5. Februar 2009 bis zum 31. August 2009 erhielt er Arbeitslosengeld II (Alg II). Zwischen dem 1. April 2009 und dem 3. April 2009 arbeitete er als Helfer in einem Kfz-Meisterbetrieb aufgrund eines am 1. April 2009 abgeschlossenen Arbeitsvertrages. Danach sollte er wöchentlich 12 Stunden gegen ein Arbeitsentgelt von 410 € beschäftigt werden. Vom 6. April bis zum 15. April 2009 wurde er stationär wegen eines am 26. März 2009 bei ihm diagnostizierten Rektum-Carzinoms behandelt; wegen dieser Erkrankung ist er dauerhaft arbeitsunfähig, was ihm seine behandelnden Ärzte seit dem 20. April 2009 bescheinigt haben. Bis zum 18. Mai 2009 erhielt er von seinem Arbeitgeber Fortzahlung des vereinbarten Arbeitsentgeltes.
Auf seine Anträge/Meldungen bei der Antragsgegnerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, stellte diese mit Bescheid vom 27. Februar 2009 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) ausschließlich ihm gegenüber zunächst fest, dass er auf Grund des Bezuges von Alg II bei ihr nicht krankenversichert sei. Denn er sei unmittelbar vor dem Bezug von Alg II weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen; seit dem 1. Januar 2009 sei deshalb für seinen Krankenversicherungsschutz die private Krankenversicherung zuständig, die ihm einen Basistarif anbieten müsse; er sei weiterhin privat versichert. Mit Bescheid vom 28. September 2009, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2010, stellte die Antragsgegnerin weiterhin, insoweit bestandskräftig, fest, dass der Antragsteller seit dem 1. April 2009 nicht versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sei, weil er keine ausreichenden Nachweise über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erbracht habe.
Der Antragsteller hat beim Sozialgericht Potsdam vorläufigen Rechtsschutz mit dem Begehren nachgesucht, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufigen Krankenversicherungsschutz zu gewähren. Seinen Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 28. Dezember 2009 mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller hierfür weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Denn er sei auf Grund eines am 27. März 2009 bei der Beigeladenen gestellten Antrages bei dieser seit dem Beginn des Bezuges von Alg II im Februar 2009 privat krankenversichert. Die Beigeladene sei im Hinblick auf die private Krankenversicherung des Antragstellers bis Februar 2000 verpflichtet, ihm eine private Krankheitskostenversicherung im Basistarif zu gewähren, weil er im Anschluss an diese Versicherung keinerlei Krankenversicherungsschutz mehr ...