Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei einem Unionsbürger, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt

 

Orientierungssatz

1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 sind Ausländer von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.

2. Ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG hat derjenige Ausländer, der sich zur Berufsausbildung in Deutschland aufhält. Vorausgesetzt wird eine entgeltliche Ausbildungstätigkeit, die unionsrechtlich einen Arbeitnehmerstatus begründet. Bei einer Weiterbildungsmaßnahme, die vollständig aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist dies nicht der Fall.

3. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 S. 1 FreizügG setzt voraus, dass sich der Unionsbürger seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dazu muss er ununterbrochen fünf Jahre lang die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 EG erfüllt haben. Diese Freizügigkeitsvoraussetzungen erfüllt derjenige, der für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass er keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen muss und er seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 2015 aufgehoben, soweit der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung verpflichtet worden ist.

Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 7. Dezember 2015 bis zum 30. April 2016, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.009,- Euro (für Dezember 2015 anteilig) zu gewähren.

Der Beigeladene hat der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von Rechtsanwalt T bewilligt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet, soweit das Sozialgericht ihn im Wege einstweiliger Anordnung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 12. November 2015 bis zum 30. April 2016 verpflichtet hat.Denn das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antragsgegner und nicht den Beigeladenen verpflichtet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). Einen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner hat die Antragstellerin hier indes nicht glaubhaft gemacht.

Zwar hat die Antragstellerin, die rumänische Staatsangehörige ist, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen vorläufigen Einschätzung ist sie aber gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind von Leistungen ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ein solcher Fall liegt hier nach vorläufiger Einschätzung vor.

Zum einen hält sich die Antragstellerin nach summarischer Einschätzung nicht im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zur Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zwar nimmt sie derzeit bei dem Netzwerkpartner IQ - Netzwerk Berlin - Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft gemeinnützige GmbH - an einer Anpassungsqualifizierung für zugewanderte Pflegekräfte teil. Bei dieser Maßnahme handelt es sich aber um keine Berufsausbildung im Sinne des FreizügG/EU. Der Begriff der Berufsausbildung bezieht sich nach der Systematik des Gesetzes nur auf entgeltliche Ausbildungstätigkeiten, die unionsrechtlich einen Arbeitnehmerstatus begründen (vgl. Verwaltungsgericht Dresden, Beschluss vom 1. August 2013 - 3 L 300/13 - juris). Auszubildende sind Arbeitnehmer, wenn die Berufsausbildung in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis durchgeführt wird. Dies ist bei einer Weiterbild...

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