Entscheidungsstichwort (Thema)
Auferlegung von Verschuldenskosten. ständige Rechtsprechung des BSG
Orientierungssatz
1. Verschuldenskosten können nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG auferlegt werden, wenn der Rechtsstreit rechtsmissbräuchlich fortgeführt wird und der Verfahrensbeteiligte auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Missbrauch besteht, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.
2. Ein Klagebegehren ist dann völlig aussichtslos, wenn zur maßgeblichen Rechtsfrage bei Klageerhebung bereits eine Vielzahl von einschlägigen und eindeutigen Entscheidungen des BSG ergangen war. Das ist hinsichtlich der Auslegung der Versorgungsordnungen der DDR im Zusammenhang mit der vom BSG entwickelten Rechtsprechung zur fiktiven Einbeziehung in Zusatzversorgungssysteme der DDR der Fall.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Verhängung von Verschuldenskosten im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die diesbezügliche Kostenentscheidung zur Klarstellung neugefasst wird:
Die Klägerin hat an die Staatskasse 150,00 Euro zu zahlen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin beanspruchte die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) vom 01. Januar 1973 bis 31. Juli 1986 nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Dies lehnte die Beklagte ab, da die Klägerin bei Inkrafttreten des AAÜG keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG gehabt habe. Die Klägerin sei weder in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch hätte sie am 30. Juni 1990 einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Denn sie habe zu diesem Zeitpunkt zwar eine ihrer Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt, jedoch (nur) bei der HO und nicht in einem von der Versorgungsordnung geforderten volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb gearbeitet.
Die unter Bezugnahme auf die erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 26. Januar 2005 nach mündlicher Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und den danach hier maßgebenden “Stichtag 30. Juni 1990„ zurück und erlegte der Klägerin gleichzeitig im Hinblick auf die Erörterungen im Termin Kosten gemäß § 192 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf.
Mit der dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin noch einmal ihre Auffassung zur Rechtslage dargestellt und ferner die Auferlegung von Kosten gemäß § 192 SGG angegriffen. Auf Hinweis des Senats hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen und wendet sich im Rahmen einer Beschwerde nur noch gegen die Auferlegung von Kosten. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung liege entgegen der Ansicht des SG nicht vor. Dass die Klägerin das Verfahren wider bessere Einsicht (fort-)geführt habe, könne nicht angenommen werden. Sogar die Beklagte habe in vergleichbaren Fällen noch Zeiten anerkannt und damit entgegen ihrer jetzigen Auffassung gehandelt.
II.
Der mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2005 mit der Berufungsrücknahme aufrecht erhaltene Antrag, die Kostenentscheidung nach § 192 SGG aufzuheben, ist als Beschwerde gegen die Festsetzung von Kosten nach § 192 SGG im Urteil des Sozialgerichts anzusehen.
Die Beschwerde ist nach der Rücknahme der Berufung als isoliertes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts nach § 192 SGG statthaft (Straßfeld in Jansen u. a., SGG, 2003, § 192 Rdz. 16 mit Hinweis auf LSG Berlin, Breithaupt 1966, 273; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage 2005, XII Rdz. 54 m. w. N.). Sie ist aber unbegründet.
Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Der vom Gesetz geforderte Hinweis sowohl auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung als auch auf die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten ist ergangen, wie dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin vom 26. Januar 2005 zu entnehmen ist. Ein Missbrauch der gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Klägerin, die sich gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG das Verhalten ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen muss, liegt auch tatsächlich vor. Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 1996,...