Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Aussetzung des Verfahrens. Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss. keine Überprüfung der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Sozialgerichts durch das Landessozialgericht
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss hat das LSG die Rechtsauffassung des SG zu Grund zu legen.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Aussetzungsbeschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Aussetzungsbeschluss.
Er ist bzw. war Berufskraftfahrer für LKW und leidet seit Jahren unter anderem an einer zu einer Herzschwäche führenden Kardiomyopathie. Er klagt seit Oktober 2017 beim Sozialgericht Cottbus (SG) auf Verpflichtung der beklagten Krankenkasse zur Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 6. Juni 2016 bis 30. Juni 2016.
Das SG hat im Rahmen seiner Sachaufklärungsbemühungen bei der für den Kläger zuständigen Fahrerlaubnisbehörde Auskünfte erbeten. Diese hat daraufhin im November 2020 ein Verwaltungsverfahren zur Überprüfung der Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen eröffnet und den Kläger zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens aufgefordert.
Mit Beschluss vom 27. Mai 2021 hat das SG das Verfahren bis zum Abschluss dieses Verwaltungsverfahrens ausgesetzt.
Gegen diesen ihm am 25. Juni 2021 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 13. Juli 2021: Die Aussetzung sei nur vermeintlich notwendig. Das SG könne Einsicht in die Akten der Fahrerlaubnisbehörde nehmen. Die jetzige Prüfung dieser Stelle habe keinen Einfluss auf die Klärung des medizinischen Sachverhaltes in der Vergangenheit. Sie erleichtere deshalb weder dem SG die Arbeit, noch sei eine Sachverhaltsaufklärung zu erwarten. Die Aussetzung verzögere nur das bereits seit 2017 anhängige belastende Gerichtsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Mai 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts zur Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat weist sie aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 1 Satz 3 SGG).
Das SG hat das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG zu Recht bejaht.
Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei (§ 114 Abs. 2 S. 1 SGG). Eine Vorgreiflichkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn das angerufene Gericht gehindert ist, über die betreffende Vorfrage selbst zu entscheiden. Denn dann muss zwingend ausgesetzt werden. Die Vorschrift räumt dem Sozialgericht jedoch Ermessen ein. Ausreichend ist deshalb ein tatsächlicher Einfluss durch das andere Verfahren, zum Beispiel, weil hierdurch Grundlagen für die Beweiswürdigung zu erwarten sind. Das andere Verfahren muss eine zumindest teilweise präjudizielle Bedeutung haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Januar 2018 - L 20 SO 467/17 B -, juris-Rdnr. 12, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. A. 2020 § 114 Rdnr. 2, Haupt/Wehrhahn in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 114 SGG, Rdnr. 4).
Das SG hat im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen, die hier aufgrund der Herzinsuffizienz als Folge der Kardiomyopathie des Klägers fraglich ist, durch die zuständige Verwaltungsbehörde, einer Verwaltungsstelle im Sinne des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG aktuell geprüft wird, weil nach den bisherigen ärztlichen Befunden möglicherweise eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Anlage 4 Nr. 4.4.2 oder 4.5.3 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) ausscheidet. Wie das SG weiter dargelegt hat, kommt der aktuellen medizinischen Klärung dieser Frage auch Bedeutung für die Vergangenheit zu, weil die Kardiomyopathie des Klägers nach dem bisherigen Akteninhalt und den eigenen Angaben schon seit längerem unverändert besteht. Dem Kläger steht Krankengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu, wenn er in den vergangenen drei Jahren bereits achtundsiebzig Wochen Krankengeld aufgrund seiner Herzschwäche erhalten hat, § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Beide Beteiligten gehen hier übereinstimmend davon aus, dass es hierbei darauf ankommt, ob die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit 2015 bis Mai 2016 nicht (auch) auf der Kardiomyophatie beruht hat.
Auch die Annahme des SG, dass ein Zusammenhang zwischen einer Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus medizinischem Grund...