Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Rechtmäßigkeit einer Überweisung gem § 136 Abs 1 S 4 SGB 7 an den sachlich zuständigen Unfallversicherungsträger. Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie. Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. rechtlich selbständiges Tochterunternehmen. Mutterunternehmen. Gesamtunternehmen. Unternehmeridentität. Neufassung des § 131 SGB 7: Angehörigkeit zu demselben Rechtsträger. zum Unternehmensbegriff in § 121 Abs 1 SGB 7. Süßwarenhersteller. Gegenstand des Unternehmens. Juristische Person. Streitwert

 

Leitsatz (amtlich)

Die Annahme eines Gesamtunternehmens erfordert, dass alle in Betracht kommenden Gebilde demselben Rechtsträger gehören. Der Grundsatz der Unternehmeridentität besagt aber nicht, dass mehrere Unternehmen derselben Unternehmens-Identität der unbeschränkt haftenden Gesellschafter - immer ein Gesamtunternehmen bilden.

 

Orientierungssatz

Der in § 121 Abs 1 SGB 7 enthaltene Unternehmensbegriff ist "kleinteiliger" als der Unternehmensbegriff im rechtlichen Sinne. Er enthält jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, rechtlich selbständige Unternehmen als Bestandteil eines unfallversicherungsrechtlich definierten Gesamtunternehmens einzuordnen. Dies ermöglicht auch § 131 SGB 7 nicht. Die Regelung korrigiert die aus § 121 Abs 1 SGB 7 erwachsenen zuständigkeitsrechtlichen Konsequenzen, stellt aber im Gegensatz zu dessen weitem Unternehmensbegriff als Zuständigkeitsvorschrift aus Gründen der Klarheit und Verwaltungspraktikabilität auf das Unternehmen im rechtlichen Sinne ab.

 

Normenkette

SGB VII § 131 Abs. 1, § 136 Abs. 1 S. 4, Abs. 2, § 121 Abs. 1; GKG § 52 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.11.2016; Aktenzeichen B 2 U 19/15 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Überweisung durch die beklagte Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie in die Zuständigkeit der beigeladenen Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten in Umsetzung einer Entscheidung der Schiedsstelle für Katasterfragen bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V.

Die in P ansässige Klägerin, eine GmbH und Co. KG, ist ein rechtlich selbständiges Tochterunternehmen der Firma K GmbH und Co. KG (im Folgenden: K )aus E, die der Beklagten zugewiesen ist. Nach Auskunft der Beklagten im Schriftsatz vom 10. September 2015 ist zum 01.01.2016 auch deren Überweisung an die Beigeladene vorgesehen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2006 teilte die K der Beklagten unter dem Betreff “Erweiterung unserer Mitgliedschaft … durch einen neuen Produktionsstandort„ mit, dass beabsichtigt sei, die Produktionskapazitäten durch die Gründung bzw. den Aufbau eines neuen Produktionsstandortes in P zu erweitern. Es handele sich um eine eigenständige Personengesellschaft mit dem Namen der Klägerin. Alle administrativen Belange würden von ihr, der K , durchgeführt, sie bleibe auch künftig Ansprechpartner der Beklagten. Beigefügt war ein Handelsregisterauszug des Amtsgerichts P vom 13. Dezember 2005. Nach ihrer Unternehmensbeschreibung produziert die Klägerin Bonbons, Zuckerwaren und Hartkaramellen mit den Roh- und Hilfsstoffen Zucker, Glukose, Aromen, Fruchtsäfte, Fruchtmark, verwendet würden ferner Folien und Kartonagen.

Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 21. Februar 2006 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für die Klägerin ab Aufnahme von deren Tätigkeit fest. Mit Bescheid vom 24. März 2006, gerichtet an die Klägerin unter der Anschrift in E, veranlagte die Beklagte die Klägerin zu einer Gefahrklasse.

Mit Bescheid vom 23. März 2006 stellte auch die Beigeladene ihre Zuständigkeit für die Klägerin fest und veranlagte sie mit weiterem Bescheid vom selben Tage zu den Gefahrklassen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und teilte mit, seit 1. Februar 2006 Mitglied der Beklagten zu sein. Es folgte ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen den Beteiligten. Klägerin und Beklagte vertraten und vertreten die Auffassung, dass aufgrund langer, positiver Erfahrungen eine Mitgliedschaft des Tochterunternehmens bei derselben Berufsgenossenschaft gewünscht sei, der das Mutterunternehmen zugehörig sei, man erwarte Synergie-Effekte. Die Beigeladene vertrat und vertritt die Auffassung, dass von einer Herstellung “chemisch-pharmazeutischer Produkte„ durch die Klägerin nichts bekannt sei, man möge mitteilen, welche chemisch-pharmazeutischen Produkte in dem Unternehmen hergestellt würden. Das Unternehmen bezeichne sich selbst als drittgrößter Zuckerwarenhersteller Deutschlands. Der satzungsmäßig bestimmte Unternehmenszweck richte sich auf die Zuckerwaren- bzw. die Bonbonherstellung. Die Zuckerwaren- und Bonbonherstellung sei eindeutig ihr als BG-Nahrungsmittel und Gaststätten zugeordnet. Die von ...

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