Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Selbständiger. kein Ausschluss des Nachweises der tatsächlichen Einnahmen nach Ablauf der in § 240 Abs 4a S 4 SGB 5 bestimmten Frist im noch laufenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
Leitsatz (amtlich)
§ 240 Abs 4a S 4 SGB V schließt einen Nachweis der tatsächlichen Einnahmen nach Ablauf der dort bestimmten Frist im noch laufenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht aus.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
3. April 2023 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerinnen haben die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist als Selbstständiger bei der Antragsgegnerin zu 1 (nachfolgend nur noch: „die Antragsgegnerin“) freiwillig gesetzlich krankenversichert.
Die Antragsgegnerin setzte mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. Januar 2019 auf monatlich insgesamt 214,92 € vorläufig fest. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass nach Erhalt des Einkommensteuerbescheids die Beiträge anhand des tatsächlichen Einkommens rückwirkend für das entsprechende Jahr neu berechnet würden. Mit Schreiben vom 11. November 2021 unter dem Betreff „Bitte denken Sie an Ihren Einkommensteuer-Bescheid“ schrieb die Antragsgegnerin den Antragsteller an, noch eine Kopie aller Seiten des Einkommensteuerbescheides für 2019 zu benötigen. Ein weiteres Aufforderungsschreiben folgte am 20. September 2022. Der Antragssteller solle möglichst schnell antworten, damit ihm keine finanziellen Nachteile entstünden. Ein fast identisches Schreiben verfasste sie unter dem Datum 13. Oktober 2022.
Mit weiterem Aufforderungsschreiben vom 15. November 2022 „Bitte denken Sie an Ihren Einkommensteuer-Bescheid“ forderte sie ihn erneut zur Einreichung der Kopien auf. Falls der Antragsteller keine Steuererklärung abzugeben habe oder das Finanzamt sie noch bearbeite, brauche sie eine schriftliche Bestätigung des Finanzamtes. Die vollständigen Unterlagen würden bis zum 31. Dezember 2022 benötigt, sonst müsse sie die monatlichen Beiträge anhand der geltenden Beitragsbemessungsgrenze 2019 von 4.537,50 € endgültig festsetzen. Sei das Einkommen tatsächlich geringer, könne dies dann rückwirkend nicht mehr berücksichtigt werden. Das Schreiben enthielt ferner einen Link, um Unterlagen online einreichen zu können. Über diesen Link lud der Antragsteller am 21. Dezember 2022 eine „Anzeige der Bescheiddaten“ des Finanzamtes vor. Darin heißt es, die Werte entsprächen denen des Bescheides, der in den nächsten Tagen bekannt gegeben werde. Sie dienten zum Abgleich mit der erstellten Steuerberechnung. Als „Ihre Nachricht an die TK“ fügte er den Satz hinzu „In elektronischer Form liegt mir lediglich dieses Dokument vor. Bei weiteren Unklarheiten oder Fragen kontaktieren Sie mich bitte per E-Mail @x.de“.
Die Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben vom 22. Dezember 2022, dessen Zugang der Antragsteller bestreitet, bei den eingereichten Unterlagen handele es sich (nur) um die am 28. Mai 2022 an das Finanzamt übermittelten Daten zur Ermittlung der Einkommensteuer. Sie benötige jedoch alle Seiten des Einkommensteuerbescheides. Erneut wies sie darauf hin, die vollständigen Unterlagen bis zum 31. Dezember 2022 zu benötigen, damit die Beiträge nicht endgültig anhand der geltenden Beitrags-Bemessungsgrenze festgesetzt werden müssten.
Mit Beitragsbescheid vom 21. Februar 2023 setzte die Antragsgegnerin auch im Namen der Antragsgegnerin zu 2) die Beiträge für das Jahr 2019 endgültig auf insgesamt monatlich 816,75 € fest, so dass sich ein Rückstand von 7.558,20 € ergebe. Mangels eingereichter Unterlagen seien sie nach § 240 Abs. 4a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 6a Abs. 2 S. 6 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler und § 57 Abs. 4 S. 1 SGB Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) festzusetzen.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 2. März 2023 Widerspruch und reichte eine Kopie des Einkommensteuerbescheides für 2019 des Finanzamtes Eberswalde vom 11. Juni 2020 ein. Er wies darauf hin, dass die Daten des Steuerbescheides mit den bereits am 21. Dezember 2022 übermittelten „Bescheiddaten“ für 2019 übereinstimmten. Er sei sich sicher gewesen, den Steuerbescheid für das Jahr 2019 bereits im Folgejahr eingereicht zu haben. Da ihn trotz Bitte um Nachfrage per E-Mail kein weiteres Schreiben der Antragsgegnerin per E-Mail oder Post erreicht habe, sei er davon ausgegangen, dass der Sachverhalt geklärt sei.
Am 14. März 2023 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Aussetzung der Zahlungsfrist beantragt. Die Antragsgegnerin hat vorgebracht, bei der Dreijahresfrist des §§ 240 Abs. 4a S. 4 SGB V handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Nach Fristablauf trete die gesetzlich geregelte Rechtsfolge in Gestalt der endgültigen Beitragsfestset...