Orientierungssatz

1. Auch bei einer Entscheidung über die Rücknahme oder Aufhebung eines Bewilligungsbescheides über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung.

2. Bis zur Gesetzesänderung des § 22 Abs. 1 S. 3 1. Halbsatz SGB 2 zum 1. 8. 2006 zugeflossene Rückzahlungen und Guthaben, welche den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, sind Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2. Dieses ist nach dem Zuflussprinzip zu berücksichtigen.

3. Ist ein Aufhebungsbescheid hinsichtlich einer nicht rechtmäßigen Leistungsaufhebung bereits vollzogen, ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Vollziehung aufzuheben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2006 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den "Änderungsbescheid" vom 28. Juli 2006 wird insoweit angeordnet, als damit die mit Bescheid vom 16. Juni 2006 gewährten Leistungen für September 2006 auf weniger als 668,15 € und für Oktober 2006 auf weniger als 668,69 € gekürzt werden. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 93,41 € auszuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zwei Drittel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für das gesamte einstweilige Rechtsschutzverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Minderung der ihm ursprünglich gewährten Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) im Hinblick auf Betriebs- und Heizkostenrückerstattungen für die Jahre 2004 und 2005.

Der 1967 geborene Antragsteller bezieht seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Im Sommer 2005 erhielt er eine Betriebs- und Heizkostenrückerstattung für den Abrechnungszeitraum 01. Januar bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 93,41 €. Um diesen Betrag verringerte sich die von ihm im August 2005 an den Vermieter gezahlte Miete (235,19 € statt 328,60 €). Für den Abrechnungszeitraum 01. Januar bis 31. Dezember 2005 stand ihm ein Betriebs- und Heizkostenguthaben in Höhe von 77,52 € zu, um das die Miete für Juli 2006 reduziert wurde (255,17 € statt 332,69 €). Der Antragsgegner, der dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 16. Juni 2006 für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von monatlich 668,69 € gewährt hatte, erfuhr erst Ende Juni 2006 von den Betriebs- und Heizkostenrückerstattungen. Mit so genanntem Änderungsbescheid vom 28. Juli 2006 bewilligte er dem Antragsgegner daraufhin für Juli, November und Dezember 2006 Leistungen – wie gehabt – in Höhe von 668,69 €, kürzte diese jedoch für die Monate August und September 2006 auf 621,71 € und für Oktober 2006 auf 621,72 €. Zur Begründung gab er an, dass dem Antragsteller aus den Umlageabrechnungen für 2004 und 2005 Einkommen in Höhe von 170,93 € zufließe und als solches auf den Leistungsanspruch anzurechnen sei. Dazu würden im August und September 2006 je 46,98 € und im Oktober 2006 46,97 € als sonstiges Einkommen zur Verrechnung des Guthabens angesetzt.

Mit seinem am 16. August 2006 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag hat der Antragsteller ausdrücklich begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, den Änderungsbescheid vom 28. Juli 2006 aufzuheben.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 28. September 2006 den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller sinngemäß die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Juli 2006 begehre. Dieser habe abweichend von § 86a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Satz 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, sodass sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG richte. Der danach mögliche Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei aber nicht begründet. Bei summarischer Prüfung sei der Antragsgegner berechtigt gewesen, die Leistungsbewilligung mit dem angefochtenen Bescheid mit Wirkung für die Zeit vom 01. September bis einschließlich 31. Oktober 2006 nach § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) teilweise aufzuheben. In den Verhältnissen, die bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Ein Betriebskostenguthaben stelle – der Lohnsteuererstattung vergleichbar – Einkommen dar. Der Antragsgegner habe daher den Ausgangsbewilligungsbescheid teilweise aufheben dürfen, da der Antragsteller im streitbefangenen Zeitraum über anrechenbares Einkommen verfügt habe. Ihm sei nämlich das Betriebskostenguthaben durch geminderten Mietzins gutgesch...

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