Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsberechtigter. rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet. Freizügigkeitsbescheinigung. keine Prüfungskompetenz des Sozialgerichts bzgl Rechtmäßigkeit. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. nicht bei Aufenthalt zum Bezug von Sozialleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Unionsbürger im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung haben auch dann noch einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik, wenn sie sich nicht zur Arbeitssuche, sondern nur zum Sozialleistungsbezug in Deutschland aufhalten.
2. Die Sozialgerichte sind nicht dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit einer Freizügigkeitsbescheinigung zu überprüfen. Diese Prüfung ist in einem ausländerrechtlichen Verfahren durchzuführen.
3. Unionsbürger mit Freizügigkeitsbescheinigung, die sich nur zum Sozialleistungsbezug in Deutschland aufhalten, haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB 2, weil ein sozialrechtlicher Leistungsausschluss für diese Fallgruppe fehlt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Februar 2013 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 24. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2013 in Höhe von 116,16 € und für die Zeit vom 01. Februar 2013 bis zum 31. März 2013 in Höhe von 435,62 € monatlich längstens bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren sowie für die Antragsteller die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes M K, F. Straße, B, bewilligt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) bulgarischer Staatsangehörigkeit begehren die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Antragsgegner), ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu zahlen.
Die 1991 geborene Antragstellerin zu 1) verfügt seit dem 07. April 2011 über eine Bescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU). Am 28. April 2011 meldete sie ein Gewerbe: “Gastronomie Service - Reinigungskraft„ an, von dem sie behauptet, sie habe damit in der Zeit von April bis Oktober 2011 monatlich 350,00 € Gewinn erzielt. Trotz mehrfacher Aufforderung der Antragsgegnerin hat sie hierzu lediglich eine Rechnung für den Monat April 2011, die den Vermerk “bar am 30. 04. 2011„ trägt, eingereicht. Weiter gab sie an, seit der Geburt des ersten Kindes keine Gewerbeeinkünfte mehr erzielt zu haben. Seit der Geburt des ersten Kindes hat sie Kindergeld in Höhe von 184,00 € und Erziehungsgeld in Höhe von 300,00 € monatlich erhalten. Nach der Geburt des zweiten Kindes erhöhte sich das Erziehungsgeld auf 375,00 € und es wurde auch Kindergeld für das zweite Kind in Höhe von ebenfalls 184,00 € gezahlt. Am 11. September 2012 hat sie das Gewerbe abgemeldet.
Die Antragstellerin zu 1) bewohnte seit Oktober 2011 zusammen mit dem Kindsvater Herrn D A eine 37,00 m² große Einzimmerwohnung in Berlin zu einer Bruttowarmmiete von 320,40 € monatlich. Ab 01. Mai 2012 ist der Kindsvater in einer anderen Wohnung gemeldet. Im Oktober 2011 kam die Antragstellerin zu 2) und im September 2012 der Antragsteller zu 3) zur Welt. Der Antragsteller zu 3) musste nach der Geburt wegen einer Herzerkrankung unverzüglich im H B stationär behandelt werden.
Mit einem am 31. August 2012 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Antrag stellten die Antragsteller einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II, nachdem zuvor das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen entsprechenden Antrag für einen früheren Bewilligungszeitraum abgelehnt hatte. Die Antragstellerin zu 1), die in ihrem Herkunftsland die Volksschule besucht, keine Ausbildung absolviert und nicht gearbeitet hat, gab in einem Beratungsgespräch bei der Bundesagentur für Arbeit am 31. August 2012, das wegen ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nur über ihre dolmetschende Begleitung möglich war, an, sie plane in den nächsten drei Jahren Elternzeit und wolle während dieser Zeit einen Integrationskurs besuchen.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2012 ab.
Mit einem am 24. Januar 2013 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller beantragt, ihnen ab Antragseingang bei Gericht für die Zeit vom 24. Januar 2013 bis zum 31. Januar 2013 Leistungen in Höhe von 145,20 € und für die Zeit vom 01. Februar 2013...