Entscheidungsstichwort (Thema)

Flüchtling. Asylberechtigter. Wohnsitznahme. Wohnsitzauflage. Zuständigkeit. Jobcenter. Grundsicherung für Arbeitsuchende. örtliche Zuständigkeit. anerkannter Flüchtling. Aufenthaltstitel. Verpflichtung zur Wohnsitznahme in Schleswig-Holstein

 

Leitsatz (amtlich)

Für Flüchtlinge bzw. Asylberechtigte ist allein der Träger zuständig, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12 a Abs 1-3 Aufenthaltsgesetz ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Nur dort kann unter Berücksichtigung des insoweit begrenzten Freizügigkeitsrechts die Zuständigkeit eines Jobcenters begründet werden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2017 insoweit aufgehoben, als den Antragstellern zu 2. - 7. für den Zeitraum vom 13. März 2017 bis 31. August 2017 Leistungen bewilligt wurden.

Im Übrigen betreffend den Antragsteller zu 1. wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten zu 1/7.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG) des Antragsgegners ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen in Bezug auf den Antragsteller zu 1. unbegründet. Nur der Vollständigkeit halber und wegen des unter dem 26. Mai 2017 noch erfolgten Vortrags zur Antragstellerin zu 8. (nur vor dem Sozialgericht) ist darauf hinzuweisen, dass insoweit unter dem 2. März 2017 die Antragsrücknahme erfolgte, so dass Leistungen aus prozessualen Gründen nicht bewilligt werden können, auch wenn es an einer Nebenbestimmung zum Aufenthaltstitel betreffend die Wohnsitznahme fehlen sollte.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2017, mit dem den Antragstellern zu 1. - 7. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) ab Beschlussdatum bis zum 31. August 2017 vorläufig bewilligt wurden, erweist sich im Hinblick auf die Antragsteller zu 2. - 7. als rechtswidrig, da der Antragsgegner für die Leistungserbringung nicht zuständig ist (§ 36 Abs. 2 SGB II).

Die Antragsteller besitzen die syrische Staatsangehörigkeit, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Antragsteller zu 1. ist am 15. März 2016, die der Familienangehörigen am 23. September 2016 erfolgt. Im Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel befindet sich für die Antragsteller zu 2. - 7. die folgende Nebenbestimmung:

“GEM. § 12 A Abs. 1 AUFENTHG IST DIE WOHNSITZNAHME AUF DAS LAND SCHLESWIG-HOLSTEIN BESCHRÄNKT. DIESE BESCHRÄNKUNG GILT BIS ZUM 11. 12. 2019.„

Bis zum 31. Januar 2017 hat das für den Aufenthaltsort der Antragsteller zuständige Jobcenter Herzogtum L Leistungen gewährt (Bescheid vom 16. Januar 2017).

Zu diesem Zeitpunkt verlegten die Antragsteller ihren Wohnsitz nach B. Sie tragen vor, sich in Schleswig-Holstein nicht wohlgefühlt zu haben. Außerdem lebten die drei Kinder der verstorbenen Schwester der Antragstellerin zu 2. in B.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass allein ein Jobcenter in Schleswig-Holstein, hier insbesondere das Jobcenter Herzogtum L für die Antragsteller zuständig sei. Es sei ihnen ohne weiteres zuzumuten, nach Schleswig-Holstein zurückzukehren, um dort Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen.

Der Senat hat am 1. Juni 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt. Dabei ergab sich, dass die drei Kinder der verstorbenen Schwester bereits unter behördlicher Vormundschaft stehen. Der Antragsteller zu 1. hat einen Arbeitsvertrag mit einer hier ansässigen Firma vorgelegt, nach dem er ab 1. Juni 2017 für 35 Wochenstunden eine Entlohnung von 1.197,- Euro brutto erhielte.

Mit Anhörungsschreiben vom 8. Juni 2017 hat die Ausländerbehörde des Kreises Herzogtum L angekündigt, die Wohnsitzverpflichtung nicht aufzuheben, da der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und eine Vormundschaft der Antragsteller für die drei Kinder in Berlin nicht belegt sei. Auf Nachfrage des Senats hat die Ausländerbehörde mitgeteilt, ihr sei kein Arbeitsvertrag vorgelegt worden. Die Anfrage des Senats vom 15. Juni 2017, ob der Antragsteller zu 1. nunmehr arbeite, wurde nicht beantwortet.

Nach § 36 Abs. 2 SGB II ist für die Leistungen nach dem SGB II der Träger zuständig, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12 a Abs.1 bis 3 des Aufenthaltsgesetzes ihren Wohnsitz zu nehmen hat.

Die Vorschrift, die zum 6. August 2016 in Kraft getreten ist, lässt sich sinnvoll nur im Zusammenhang mit dem ebenfalls am 6. August 2016 in Kraft getretenen § 12 a Aufenthaltsgesetz verstehen und auslegen. Nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ist ein Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter verpflichtet, für den Zeitraum von 3 Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, in das er zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen worden ist.

Diese Voraussetzungen liegen für die Antragsteller zu 2. - 7. offensichtlich vor, so dass ihr Aufenthaltstitel mit einer entsprechenden Nebenbestimmung versehen wurde. Diese Nebenbestimmung erlaubt den Antr...

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