Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Statthaftigkeit der Beschwerde. Beschwerdewert. Zulassung der Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde gegen eine Entscheidung in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in welchem der Beschwerdewert 750 € unterschreitet und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind, ist nur dann statthaft, wenn eine - hypothetische - Berufung ohne weiteres statthaft wäre. Bedürfte die Berufung der Zulassung, so ist die Beschwerde auch dann nicht statthaft, wenn die Berufung möglicherweise oder wahrscheinlich zugelassen wird.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2008 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch für das Beschwerdeverfahren die Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg, denn sie ist entgegen der falschen Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts bereits unstatthaft, so dass der Senat in der Sache keine Entscheidung treffen darf.

Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz mit der Beschwerde nur anfechtbar, wenn in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre.

Die Berufung wiederum wäre in der Hauptsache gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ohne gesonderte Zulassung durch das Sozialgericht ( § 144 Abs. 2 SGG) oder auf Beschwerde durch das Berufungsgericht ( § 145 SGG) nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands oder eines hierauf gerichteten Verwaltungsakts 750,00 € überstiege oder gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen wären.

Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 25. November bis zum 31. Dezember 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 676,34 € abzüglich der mit Bescheid vom 2. Juli 2008 bereits bewilligten Leistungen zu gewähren. Mit dem genannten Bescheid - in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. November 2008 - war dem Antragsteller für den Monat November 2008 ein Betrag in Höhe von 34,45 € und für den Monat Dezember 2008 ein Betrag in Höhe von 501,14 € bewilligt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt mithin 303,58 €; es sind Leistungen für einen Zeitraum von einem Monat und sechs Tagen betroffen.

Auch dann, wenn die Zulassung der Berufung in der Hauptsache möglich oder sogar wahrscheinlich schiene, ja selbst, wenn sie erfolgt wäre, würde dies die Beschwerde gegen den Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft machen (vgl. LSG Hessen, Beschlüsse vom 11. August 2008, L 7 AS 213/08 B ER, und vom 12. Januar 2009, L 7 AS 421/08 B ER; LSG Hamburg, Beschlüsse vom 1. September 2008, L 5 AS 70/08 NZB, und vom 16. Januar 2009, L 5 B 1136/08 ER AS, L 5 B 1137/08 PKH AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 8. September 2008, L 13 AS 178/08 ER, und vom 29. September 2008, L 8 SO 80/08 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Oktober 2008, L 20 B 1647/08 AS ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 6. November 2008, L 11 B 526/08 AS ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 3. Dezember 2008, L 7 B 683/08 AS ER; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. Oktober 2008, L 6 AS 455/08 ER, alle zitiert nach juris). Dafür spricht bereits der Wortlaut der Norm: Die Verwendung zum einen des Begriffs “zulässig„ - statt “zuzulassen„ - und zum anderen des Konjunktivs - “wäre„ - zeigt, dass die Statthaftigkeit der Beschwerde weder davon abhängig sein soll, dass es ein zweitinstanzliches Hauptsacheverfahren (schon) gibt, noch davon, welches Schicksal diesem (konkreten Verfahren) beschieden ist. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob dann, wenn der Gegenstand der Beschwerde Gegenstand eines Hauptsacheverfahrens wäre, die (hypothetische) Berufung - ohne weiteres - statthaft wäre.

Zu Recht weist der Antragsgegner selbst darauf hin, dass es ein dem Beschwerdeverfahren vorgelagertes Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gibt. Es widerspräche auch dem Sinn und Zweck eines speziell für dringende Fälle vorgesehenen und im Übrigen nur zu einer vorläufigen Regelung führenden Verfahrens, zunächst ein eigenständiges, die Zulässigkeit betreffendes Verfahren durchzuführen (vgl. dazu ausführlich, m.w.N. und in Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung den Beschluss des LSG Hessen vom 12. Januar 2009, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Dieser Beschluss kann nicht der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden ( § 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2145663

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