Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Gesellschafter-Geschäftsführer. GmbH. Bedeutung eines schuldrechtlichen, auf einheitliche Stimmabgabe gerichteten Stimmbindungsvertrages zwischen Gesellschaftern. BGB-Innengesellschaft. Bedeutsamkeit der Gestaltung der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage
Orientierungssatz
Selbst wenn eine BGB-Innengesellschaft bis zu ihrer Kündigung alle Gesellschafter zur einstimmigen Stimmabgabe verpflichtet, führt dies sozialversicherungsrechtlich nicht dazu, die Gesellschafter-Geschäftsführer bereits deshalb als nicht weisungsgebunden zu betrachten. Ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB 4 (vgl BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 = SozR 4-2400 § 7 Nr 28). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist insoweit durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (vgl BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R = BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26).
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 23. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten für das Berufungsverfahren mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte für die Beigeladenen zu 3) - 5) für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2015 Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung sowie die Insolvenzgeldumlage in einer Gesamthöhe von 124.306,21 € nachgefordert hat.
Die klägerische GmbH betreibt im Ortsteil P von B S eine Kfz-Werkstatt, die mit Kraftfahrzeugersatzteilen handelt sowie Kraftfahrzeuge vermietet. Die GmbH wurde am 22. Dezember 2008 gegründet und am 16. März 2009 in das Handelsregister eingetragen. Die Beigeladenen zu 3) - 5) sind Gesellschafter und in der Gründungsurkunde jeweils zu Geschäftsführern mit Einzelvertretungsmacht bestellt. Sie sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die drei Gesellschafter-Geschäftsführer halten von dem Stammkapital i.H.v. 25.000 € Kapitalanteile in Höhe von jeweils 8.333 € (Beigeladener zu 3) und 5) bzw. im Fall des Beigeladenen zu 4) in Höhe von 8.334 €. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag kamen in dem hier maßgeblichen Zeitraum die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande, sofern nicht gesetzlich oder im Gesellschaftsvertrag eine höhere Mehrheit vorgeschrieben war. Je 1 € des Stammkapitals gewährte eine Stimme, bei Stimmengleichheit (Pattsituation) galt der Beschluss als nicht angenommen (§ 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags). Die Gesellschafterversammlung war beschlussfähig, wenn mehr als 50 % des Stammkapitals vertreten waren. Lag danach eine Beschlussfähigkeit nicht vor, war unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit der gleichen Tagesordnung einzuberufen, diese war dann ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig (§ 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Gemäß § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer aus dem Gesetz, dem Anstellungsvertrag und den von den Gesellschaftern gegebenen Weisungen. Gemäß Gesellschafterbeschluss vom 18. Dezember 2009 sollte eine Abberufung eines Gesellschafters nach dem 31. Dezember 2009 nur aus wichtigem Grund zulässig sein. Am 14. März 2011 fasste die Gesellschafterversammlung einen formlosen Beschluss, wonach die Gesellschafter vereinbarten, dass sie alle Angelegenheiten und Entscheidung der Geschäftsführung nur einstimmig und im gegenseitigen Einvernehmen beschlössen. Sei auch nur einer mit einer Entscheidung/Maßnahme nicht einverstanden, seien die übrigen Gesellschafter verpflichtet, gegen den Beschluss zu stimmen. Der Beschluss könne nur bei Einstimmigkeit umgesetzt werden. Am 28. September 2017 änderten die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag und vereinbarten in § 7 desselben, dass Beschlüsse im Zusammenhang mit der Geschäftsführung einstimmig zu fassen seien. Die Änderung wurde am 9. Oktober 2017 in das Handelsregister eingetragen.
Der Beigeladene zu 3) ist Betriebsleiter, der Beigeladene zu 4) ist Werkstattmeister und der Beigeladene zu 5) ist als Lackierer in dem Unternehmen tätig. Die Klägerin schloss mit allen drei Geschäftsführern einen gleichlautenden Formular- „Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer“ mit Wirkung vom 1. Januar 2009. Alle Drei wurden darin als Geschäftsführer angestellt, jeweils noch mit dem Zusatz ihres Tätigkeitsbereiches (Lackierer, ...