Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über keine Sperrminorität, ist er der Gesellschafterversammlung gegenüber weisungsgebunden, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und erhält er eine feste monatliche Vergütung nebst Bonus-Zahlung, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Dieser Zuordnung widerspricht nicht das Fehlen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und von bezahltem Urlaub.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.05.2021; Aktenzeichen B 12 KR 104/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner für die Beigeladene zu 1) ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Oktober 2016.

Der Kläger gründete mit Herrn AS am 26. November 2010 die Beigeladene zu 1), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese wurde am 1. Dezember 2010 in das Handelsregister eingetragen. Beide Gesellschafter hielten jeweils die Hälfte der Gesellschaftsanteile und beide wurden jeweils zum Geschäftsführer bestellt. Im Februar 2011 veräußerte die Gesellschaft ein Drittel der Geschäftsanteile und bestellte einen dritten Geschäftsführer. Der Kläger und Herr S hatten seitdem jeweils ein Drittel der Gesellschaftsanteile.

Gemäß dem Gesellschaftsvertrag ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn drei Viertel des stimmberechtigten Stammkapitals vertreten sind. Fehlt es hieran, so ist innerhalb einer Woche mit einer Einladungsfrist von einer Woche eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen, welche immer beschlussfähig ist (§ 6 Abs. 5). Soweit zwingende gesetzliche Vorschriften oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsehen, werden Beschlüsse der Gesellschaft mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 5 Abs. 2). Im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft sind Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend betreffen oder verändern, von einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Zustimmungspflicht gilt daneben für weitere näher bezeichnete Geschäfte, wie z.B. die Aufnahme und Kündigung von Darlehen, den Abschluss von Mietverträgen, die Übernahme von Bürgschaften, die Veräußerung oder den Erwerb von Grundstücken oder die Beschaffung von Gegenständen mit einem Wert von mehr als 50.000 €. Die Gesellschafterversammlung kann für bestimmte Geschäfte ihre Zustimmung allgemein erteilen, sie kann zudem weitere Geschäfte bestimmen, die ihrer Zustimmung bedürfen (§ 4 Abs. 4).

Mit einem schriftlichen „Gesellschafterbeschluss“ vom 27. Januar 2012 änderte die Gesellschaft ihre Satzung u.a. dahingehend, dass sämtliche Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen bedurften. Der Beschluss wurde weder notariell beurkundet noch in das Handelsregister eingetragen.

Der Kläger schloss mit Wirkung zum 1. Februar 2012 mit der Beigeladenen zu 1) einen Geschäftsführer-Dienstvertrag. Nach diesem Vertrag hat der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, der Bestimmungen der Satzung der Gesellschaft, ihrer Geschäftsordnung und des Kooperationsvertrages zwischen den Gesellschaftern zu führen. Er ist für die umfassende Unternehmensleitung verantwortlich. Die Gesellschaft ist berechtigt, zusätzliche Geschäftsführer zu bestellen und die Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern neu zu verteilen und zu ändern. Der Geschäftsführer muss stets die gesetzliche Beschränkung sowie die Beschränkung aufgrund der Satzung und der Geschäftsordnung der Gesellschaft, des Kooperationsvertrages und aufgrund schriftlicher Richtlinien der Gesellschaft beachten (§ 1 des Geschäftsführer-Dienstvertrages). Er erhält ein jährliches Bruttofestgehalt i.H.v. 54.000 €, zahlbar in zwölf gleich hohen monatlichen Zahlungen, jeweils zum Ende eines Kalendermonats unter Einbehaltun...

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