Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. einstweiliger Rechtsschutz. Student. Grundsätzliche Förderungsfähigkeit nach BAföG -Anordnungsanspruch. Folgenabwägung bei kurz vor dem Abschluss stehendem Studium. rückwirkende Feststellung besonderer Dringlichkeit

 

Orientierungssatz

1. Auszubildende, deren Studium an der Universität dem Grunde nach förderungsfähig im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist, gehören nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, die Leistungen nach diesem Gesetz erhalten, § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II.

2. Ein Anordnungsanspruch kann sich unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung ergeben, wenn ein zügiger Studienabschluss zu erwarten ist, andererseits der Abschluss im Falle der Nichtgewährung der begehrten Leistungen wegen der glaubhaft gemachten Mittellosigkeit des Antragstellers zu scheitern droht.

3. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt. Effektiver Rechtsschutz ist nach Art. 19 Abs. 4 GG in dringenden Fällen, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, zu gewährleisten, weil anderenfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Vergleiche BVerfG, Beschluss vom 12. Mai

2005 - 1 BvR 569/05).

 

Tenor

Die Verfahren L 25 B 2146/07 AS ER und L 25 B 2150/07 AS PKH werden unter dem zuerst genannten Aktenzeichen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 23. November 2007 wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2007, soweit die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes versagt worden ist, geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 7. Dezember 2007 bis zum 17. Mai 2008 darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe der Regelleistungen (347,- Euro monatlich) unter Anrechnung der aufgrund gerichtlicher Zwischenverfügungen 6. und 20. Dezember 2007 erfolgten Bewilligungen zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin vom 23. November 2007 - auch soweit sie sich gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz richtet - zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstatten.

Kosten des Beschwerdeverfahrens L 25 B 2150/07 AS PKH sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Verfahrensverbindung beruht auf § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -.

Die gegen die Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2007 ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 SGG, in der Sache jedoch nur nach Maßgabe des Tenors begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Reglung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Hiervon ausgehend hat die Beschwerde Erfolg, soweit der Antragsgegner zu verpflichten ist, für die Zeit ab dem 7. Dezember 2007 befristet bis zum 17. Mai 2008 Leistungen der Grundsicherung in Höhe der begehrten Regelleistungen darlehensweise zu gewähren.

Die Antragstellerin hat insoweit sowohl den hierfür erforderlichen Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch besteht allerdings nicht, soweit die Antragstellerin, wie mit ihrem Hauptvorbringen geltend gemacht, die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Regelleistung in Form einer nicht rückzahlbaren Leistung begehrt. Insoweit hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin als Auszubildende, deren Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin dem Grunde nach förderungsfähig im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist, nicht zum anspruchsberechtigtem Personenkreis des § 7 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) gehört, die Leistungen nach diesem Gesetz erhalten, vgl. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II.

Indes hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch dahingehend gl...

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