Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterbringung in einem Pflegeheim. Unterkunft und Heizung. Übernahme von Schulden. sonstige Hilfen zur Sicherung der Unterkunft. Gefährdung der Unterkunft. Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer Kündigung. drohende Wohnungslosigkeit. Vorhandensein alternativer Unterbringungsmöglichkeiten
Orientierungssatz
1. Zwar kann eine Gefährdung der Unterkunft iS des § 36 Abs 1 S 1 SGB 12 angenommen werden, wenn die Unterkunft gekündigt ist und die konkrete Gefahr besteht, dass mit der Kündigung auch der Verlust der Wohnung durch eine Räumung erfolgt. Allein mit dem Ausspruch einer Kündigung droht jedoch nicht in jedem Fall ein Verlust der Unterkunft. Die Kündigung kann unwirksam sein oder durch Zahlung der ausstehenden Mieten unwirksam werden (§ 569 Abs 3 Nr 2 BGB). Auch können Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Kündigung bestehen.
2. Für die Annahme einer drohenden Wohnungslosigkeit iS des § 36 Abs 1 S 2 SGB 12 ist neben einer konkreten Gefahr des Verlustes der bisherigen Unterkunft weiter Voraussetzung, dass eine andere Unterkunft auf dem Markt nicht erreichbar ist und deshalb für den Leistungsberechtigten nur eine Not- bzw Obdachlosenunterkunft in Betracht käme (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R = BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 04. Dezember 2012 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet.
Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Vorliegend ist schon der vom Sozialgericht angenommene Anordnungsanspruch fraglich.
Einem Anspruch auf die begehrte Leistung, nämlich die Übernahme rückständiger Aufwendungen für die Kosten einer Unterbringung in einem Pflegeheim für die Zeit ab Oktober 2010 bis zum 30. Juni 2012 (Übernahme der Kosten ab 01. Juli 2012 mit Bescheid vom 31. Juli 2012) steht bereits die Bestandskraft der Ablehnung des Leistungsantrages mit Bescheid vom 22. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2011 entgegen. Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 10. Januar 2011, ihr Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB X II - in Verbindung mit Leistungen zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII zu gewähren, mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei im Hinblick auf ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bedürftig gewesen.
Soweit die Antragstellerin nach einem Wechsel in der Betreuung am 21. Juli 2011 vorsorglich die Gewährung von Leistungen beantragt hat, mag der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 09. März 2012 auch die Aufhebung der bestandskräftigen Entscheidung vom 22. Februar 2011 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - abgelehnt haben. Bis zur Aufhebung und Änderung der Entscheidung vom 22. Februar 2011 nach § 44 SGB X steht die Bestandskraft der Entscheidung trotz des nach Widerspruchsbescheid vom 09. August 2012 anhängigen Klageverfahrens einem Leistungsanspruch entgegen. Dies gilt jedenfalls für die geltend gemachten Kosten der Unterbringung ab Oktober 2010 bis zur erneuten Antragstellung im Juli 2011.
Soweit die Antragstellerin laufende Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab Antragstellung im Juli 2011 bis einschließlich Juni 2012 begehrt, kann der Senat dahinstehen lassen, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist, denn jedenfalls fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (vgl. hierzu unten).
Soweit die Antragstellerin meint, die rückständigen Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim in Höhe von 36.076,28 Euro seien von dem Antragsgegner als Schulden zu übernehmen, ist bereits ein Anordnungsanspruch nicht ausreichend dargelegt.
Eine Übernahme von Schulden kommt über Leistungen der Sozialhilfe und Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nur unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 SGB XII in Betracht.
Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.
Dass die Übernahme der gegenüber dem Einrichtungsträger bestehenden Verbindlichkeiten zur Siche...