Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Hauptsacheverfahren. Nichterreichen des Wertes des Beschwerdegegenstandes. Nichtanwendbarkeit von § 127 Abs 2 S 2 ZPO auch nach Änderung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG durch das SGB4ÄndG 3 vom 5.8.2010
Leitsatz (amtlich)
Durch die am 11.8.2010 in Kraft getretene Neufassung des § 172 Abs 3 SGG hat sich an der Nichtanwendbarkeit von § 127 Abs 2 S 2 ZPO für die Verfahren der Hauptsache nichts geändert.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Oktober 2008 geändert.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen für die Zeit ab dem 27. Juni 2006 unter Beiordnung von Rechtsanwalt M K, F…, S, bewilligt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Zu Unrecht hat es das Sozialgericht abgelehnt, dem Kläger für das Klageverfahren, in dem er nach seinen letzten Berechnungen in der Beschwerdeschrift für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2006 nur noch die Gewährung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von (205,19 € ≪errechneter Gesamtbetrag≫ - 167,57 € ≪bewilligter Betrag≫ =) 37,62 € monatlich begehrt, Prozesskostenhilfe für die Zeit ab dem 27. Juni 2006 zu bewilligen.
Hierbei erweist sich die Beschwerde zunächst in ihrer Gesamtheit gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als zulässig. Denn sie ist nicht nur form- und fristgerecht eingelegt worden, sondern auch statthaft.
Ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand im Sinne des § 172 Abs. 1 SGG greift nicht ein. Denn ein Fall des § 172 Abs. 3 Nr. 1 - 4 SGG, der mangels Übergangsregelung nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts auf den vorliegenden Fall bereits in seiner am 11. August 2010 in Kraft getretenen Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BGBl. I S. 1127) vom 5. August 2010 Anwendung findet, liegt nicht vor. Überdies kommt eine entsprechende Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) aus Sicht des Senats nicht in Betracht.
Soweit nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen gestützt worden ist, ausgeschlossen ist, wenn der Streitwert in der Hauptsache, der nach den Berechnungen des Klägers in seiner Beschwerdeschrift (37,62 € x 6 =) 225,72 € beträgt, den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, ist diese Vorschrift trotz der in § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG für das Verfahren der Prozesskostenhilfe angeordneten entsprechenden Anwendung der ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren (auch bei Berücksichtigung des in diesem Verfahren maßgeblichen Wert des Beschwerdegegenstandes) jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Beschwerde - wie hier - nach dem 1. April 2008 eingegangen ist. Denn schon mit der am 1. April 2008 in Kraft getretenen Fassung des § 172 Abs. 3 SGG hatte der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats eine klare und eigenständige Regelung dazu geschaffen, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist, und zwar einschließlich besonderer Regelungen zum Wert des Beschwerdegegenstandes. Danach war die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sowohl in Verfahren der Hauptsache als auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann ausgeschlossen, wenn die ablehnende Entscheidung ausschließlich darauf gestützt gewesen ist, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Hieraus war im Umkehrschluss zu folgern, dass - unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes der Hauptsache - die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nach § 172 Abs. 1 SGG dann statthaft war, wenn das Sozialgericht - wie hier - die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint hatte. § 172 Abs. 3 SGG enthielt insoweit eine spezielle und abschließende Regelung, die für eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO keinen Raum mehr ließ (vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 25. Februar 2010 - L 25 B 1474/08 AS PKH - m. w. N., zitiert nach juris).
An der Nichtanwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO für die Verfahren der Hauptsache hat sich durch die am 11. August 2010 in Kraft getretene Neufassung des § 172 Abs. 3 SGG nichts geändert. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist zwar um einen Halbsatz ergänzt worden, wonach die Beschwerde nunmehr auch dann ausgeschlossen ist, wenn sie Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag betrifft und in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dieser Halbsatz findet jedoch nur in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutze...