Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. keine nahtlose Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit zwischen Entlassung aus Krankenhausbehandlung und ambulanter Weiterbehandlung. keine Pflicht des Entlassmanagements zur Vermeidung eines Verlustes des Krankengeldanspruchs durch Beseitigung möglicher diesbezüglicher Fehlvorstellungen
Leitsatz (amtlich)
Zum Entlassmanagement nach § 39 Abs 1a SGB V gehört es auch, die Patienten durch adäquate Aufklärung, Beratung und Schulung dazu zu befähigen, die Anforderungen und Probleme beim Übergang vom Krankenhaus in die weitergehende ambulante, rehabilitative oder pflegerische Versorgung gut bewältigen zu können. Krankenhäuser sind aber nicht gehalten, Patienten im Zuge der Entlassung konkret dazu anzuhalten, einen Arzt aufzusuchen oder vorhandene mögliche Fehlvorstellungen zu erkennen und zu beseitigen, um einen möglichen Verlust des Krankengeldanspruchs unter allen Umständen zu verhindern; dies hieße die Pflichten des Entlassmanagements und die Möglichkeiten des Krankenhauses zu überdehnen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung weiter die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 20. August 2018 bis zum 30. Oktober 2018. Die Klägerin ist 1964 geboren und Mitglied der Beklagten.
Sie stand seit dem 1. Mai 2018 in einem Arbeitsverhältnis zur Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Tegel. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis in der Probezeit zum 31. Juli 2018. Die Klägerin erkrankte am 28. Mai 2018 arbeitsunfähig (Erstbescheinigung der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 28. Mai 2015). Vom 8. August 2018 bis zum 12. August 2018 befand sie sich in stationärer Krankenhausbehandlung. Am 12. August 2018 bescheinigte das Krankenhaus Waldfriede (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe ) Arbeitsunfähigkeit bis zum 19. August 2018, einem Sonntag. Mit weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der behandelnden Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe vom 21. August 2018 stellten diese Arbeitsunfähigkeit seit dem 20. August 2018 bis zum 21. September 2018 fest (Diagnosen C-50.9 B - Bösartige Neubildung: Brustdrüse, nicht näher bezeichnet und F 32.9 G - Depressive Episode). Vom 30. August 2018 bis zum 2. September 2018 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Behandlung. Mit der Folgebescheinigung vom 20. September 2018 attestierten die Fachärztinnen der Klägerin weiter das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit bis zum 19. Oktober 2018.
Die Beklagte gewährte der Klägerin Krankengeld ab dem 1. August 2018. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte der Klägerin ab dem 31. Oktober 2018 Arbeitslosengeld entsprechend der sog. Nahtlosigkeitsregelung (vgl. § 145 SGB III). Mit Bescheid vom 11. Februar 2019 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2020.
Die Beklagte teilte der Klägerin am 11. September 2018 mit, dass der Krankengeldanspruch ab dem 1. September 2018 46,30 Euro betrage, „wenn alle Voraussetzungen vorliegen“. Am 24. September 2018 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld nach dem 19. August 2018 ab. Für einen weiteren Anspruch auf Krankengeld nach dem 19. August 2018 wäre erforderlich gewesen, dass spätestens am 20. August 2018 die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin erneut ärztlich festgestellt worden wäre. Die aktuelle Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit sei aber erst am 21. August 2018 ausgestellt worden. Damit ende die Versicherung der Klägerin mit Anspruch auf Krankengeld am 19. August 2018. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Mit Schreiben gleichen Datums informierte die Beklagte die Klägerin, dass ihr Krankengeld, wenn alle Voraussetzungen vorlägen, ab dem 1. August 2018 täglich 46,30 Euro betrage.
Die Klägerin erhob Widerspruch und wies unter Übersendung einer Bestätigung ihrer behandelnden Fachärztinnen darauf hin, dass diese am Montag keine Sprechstunde hätten, so dass sie nicht zum 20. August 2018 dort habe vorstellig werden können. Da sie Krebs-Patientin sei, frage sie sich, ob sie, wenn sie unter der Chemotherapie nicht hätte zeitnah zum Arzt gehen können, ebenfalls ihren Krankengeldanspruch verliere und was in einem solchen Fall die Alternativen wären. Sie verwies auf ihre seit 1985 bestehende Mitgliedschaft mit langjähriger Beitragszahlung bei der Beklagten sowie darauf, dass das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit lückenlos bescheinigt sei. Sie sei zwar bis zum 19. August 2018 von dem Krankenhaus krankgeschrieben worden und habe erst am folgenden Dienstag einen Termin bei ihrer behandelnden Ärztin vereinbart. Niemand habe sie darauf hingewiesen, dass das zu einem Problem werden könnte. Dabei habe sie sich als frisch oper...