Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. fehlende nahtlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwischen Krankenhausentlassung und ambulanter Weiterbehandlung. Feststellung von Arbeitsunfähigkeit i S des § 46 SGB 5. Erfordernis eines Aktes mit Außenwirkung. Datensatz nach § 301 SGB 5. Entlassmitteilung des Krankenhauses an Krankenkasse. keine beweissicher dokumentierte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. keine Pflicht des Entlassmanagements zur Vermeidung eines Verlustes des Krankengeldanspruchs durch Erkennen oder Beseitigen möglicher Fehlvorstellungen
Leitsatz (amtlich)
1. Erforderlich für eine Feststellung von Arbeitsunfähigkeit i S des § 46 SGB V ist ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin beweissicher zu dokumentieren ist.
2. Weder die Übersendung des Datensatzes nach § 301 SGB V durch das Krankenhaus an die Krankenkasse noch die allein an die Krankenkasse gerichtete Entlassungsmitteilung "arbeitsunfähig entlassen" sind als beweissicher dokumentierte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit iSd § 46 SGB V anzusehen.
3. Zum Entlassmanagement nach § 39 Abs 1a SGB V gehört es auch, die Patienten durch adäquate Aufklärung, Beratung und Schulung dazu zu befähigen, die Anforderungen und Probleme beim Übergang vom Krankenhaus in die weitergehende ambulante, rehabilitative oder pflegerische Versorgung gut bewältigen zu können. Krankenhäuser sind aber nicht gehalten, Patienten im Zuge der Entlassung konkret dazu anzuhalten, einen Arzt aufzusuchen oder vorhandene mögliche Fehlvorstellungen zu erkennen und zu beseitigen, um einen möglichen Verlust des Krankengeldanspruchs zu verhindern; dies würde die Pflichten des Entlassmanagements überdehnen (Anschluss, LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 29.11.2021 - L 9 KR 440/19).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. August 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Krankengeld über den 27.02.2018 hinaus.
Der 1958 geborene Kläger, der bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, war bis 30.11.2017 abhängig beschäftigt. Ab 30.11.2017 bestand Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug. Bei einem Sturz von einer Kutsche am 14.02.2018 zog sich der Kläger ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine Thoraxkontusion , eine Beckenprellung, eine stabile Fraktur eines Brustwirbelkörpers, Frakturen der Dornfortsätze der Brustwirbelkörper 4 bis 8 und eine instabile Fraktur des dritten Lendenwirbelkörpers (LWK) zu.
Im Zeitraum vom 14.02.2018 bis 27.02.2018 befand er sich deswegen in stationärer Behandlung im Klinikum B., wo die minimal-invasive Stabilisierung des LWK und Schmerztherapie erfolgten.
Die Epikrise zum stationären Aufenthalt vom 26.02.2018 enthält keine Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit. Darin heißt es lediglich: „Wir entlassen Herrn M… am 27.02.2018 in gutem Allgemeinzustand und mit reizlosen Wundverhältnissen wieder in die Häuslichkeit. …“
Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung bescheinigte Dipl.-Med. Z. am 01.03.2018 Arbeitsunfähigkeit vorläufig bis 23.03.2018 (S32.03, S22.02, S22.03, S22.04). Arbeitsunfähigkeit wurde nachfolgend auch für den Zeitraum bis 01.07.2022 attestiert.
Mit Bescheid vom 12.03.2018 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld über den 27.02.2018 hinaus ab. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei erst am 01.03.2018 und damit verspätet festgestellt worden. Der Anspruch auf Krankengeld und auch die beitragsfreie Mitgliedschaft endeten daher am 27.02.2018.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 16.03.2018. Die Entlassung aus der stationären Behandlung sei erst am Nachmittag des 27.02.2018 erfolgt. Aufgrund der Fraktur des LWK sei es nicht möglich gewesen, selbst ein Fahrzeug zu führen. Der zuständige Hausarzt habe am 28.02.2018 Urlaub gehabt. Der Vertretungsarzt Dr. X. sei für ihn nicht erreichbar gewesen. Da er dies im Vorfeld nicht bedacht habe, habe er sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht bereits im Krankenhaus ausstellen lassen.
Am 27.03.2018 ging eine durch MU Dr. W. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum ab 28.02.2018 - festgestellt am 01.03.2018 - bei der Beklagten ein.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2018 zurück. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger solange erhalten, wie ein Anspruch auf Krankengeld bestehe bzw. Krankengeld bezogen werde. Daher ende die Mitgliedschaft des Versicherten grundsätzlich bei einer nicht rechtzeitigen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger habe die Arbeitsunfähigkeit erst wieder am 01.03.2018 und damit nicht am auf die zuletzt festgestellte Arbei...