Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Beschwerdeverfahren. Beschränkung des Antrags auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheides. keine Antragsänderung. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Guthaben aus Betriebskostenabrechnung. Minderung der Aufwendungen zu einem willkürlich bestimmten Zeitpunkt. vorläufige Zahlungseinstellung ohne Mitteilung an den Leistungsempfänger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist keine Antragsänderung nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, wenn der Antragsteller bei einem Antrag nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG nach Erlass des Widerspruchsbescheides im Beschwerdeverfahren nur noch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage begehrt.

2. Unabhängig davon, ob § 22 Abs 1 S 4 SGB 2 in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung bzw § 22 Abs 3 SGB 2 in der ab dem 1.1.2011 geltenden Fassungen voraussetzen, dass eine Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehen muss, bestehen bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, wenn der Leistungsträger die bedarfsmindernde Direktanrechnung des Guthabens nicht im nächsten Monat nach der Rückzahlung oder der Gutschrift durchgeführt, sondern hierfür den für ihn einfachsten Zeitpunkt des nächsten Auszahlungstermins abgewartet hat.

3. Zum Rechtsschutz nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, wenn der Leistungsträger ohne Kenntnis des Leistungsempfängers eine vorläufige Zahlungseinstellung vorgenommen und die Zahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter für länger als zwei Monate eingestellt hat.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die aufschiebende Wirkung der am 12. Mai 2011 von dem Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin - Aktenzeichen: S 197 AS 9329/11 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 erhobenen Anfechtungsklage angeordnet wird.

Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

Dem Antragsteller wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S., Berlin, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner ≪AG≫ wendet sich gegen die vom Sozialgericht ≪SG≫ Berlin mit Beschluss vom 26. April 2011 ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 erhobenen Widerspruchs des Antragstellers ≪ASt≫.

Der 1973 geborene ASt bezieht von dem AG seit dem 19. April 2007 laufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫; zuvor stand er im laufenden Leistungsbezug des JobCenters Berlin M-H. Er bewohnt seit dem 01. März 2007 eine 40 qm große Einraumwohnung in der F Straße, Seitenflügel links, 4. Obergeschoss in B, für die er im hier allein maßgebenden Zeitraum vom 01. Februar bis zum 31. März 2011 monatlich 384,80 € (230,80 € Kaltmiete, 50,- € Betriebskostenvorschuss, 104,- € Heiz- und Warmwasserkostenvorschuss) zahlte (Mieterhöhung zum 01. Juni 2009). Auf seinen Antrag vom 19. August 2010 bewilligte ihm der AG mit Bescheid vom 24. August 2010 für die Zeit vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 737,17 € (359,00 € Regelleistung/378,17 € Kosten für Unterkunft und Heizung ≪KdU und Heizung≫). Die Kosten für KdU und Heizung, zuzüglich 6,63 € aus der Regelleistung für Warmwasserkosten, sollten monatlich im Voraus unmittelbar auf das Konto der Vermieter des ASt überwiesen werden.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 teilten die Vermieter des ASt über deren Hausverwaltung mit, dass zu Gunsten des ASt die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 ein Guthaben von 760,10 € ergeben habe. Dieses Gutachten werde in voller Höhe “… mit dem gerichtlichen Vollstreckungsbescheid mit der Geschäftsnummer vom 27.05.2010„ verrechnet. Dieser, vom Amtsgericht B-W über 789,87 € erlassene Vollstreckungsbescheid betraf die nach dem Mietvertrag vom 26. Februar 2007 noch offene Mietkaution von 660,00 € zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten.

Am 28. Dezember 2010 zeigte der ASt dem AG den Erhalt des Guthabens an. Nach Aktenlage stellte dieser daraufhin ohne vorherige Anhörung durch behördeninterne Verfügung vom 06. Januar 2011 die Zahlung der KdU und Heizung an die Vermieter des ASt für Februar und März 2011 bis auf einen Betrag von 0,01 € formlos ein; für März 2011 erfolgte aus der Regelleistung des Klägers lediglich eine Überweisung von 9,70 € an die Vermieter (Buchungen vom 01. Februar bzw 01. März 2011). Den ASt informierte der AG hierüber nicht. Erst mit Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 änderte der AG den Bescheid vom 24. August 2010 dahingehend ab, dass für die Monate Februar und März 2011 als KdU und Heizung nur noch 0,01 € bewilligt werde. Zur B...

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