Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Klage des Rentenversicherungsträgers gegen einen die Versicherungspflicht verneinenden Bescheid der Einzugsstelle. Verwirkung des Klagerechts im Einzelfall trotz Einhaltung der Klagefrist

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verwirkung des Klagerechts im Einzelfall trotz Einhaltung der Klagefrist nach § 87 Abs 1 S 1 SGG.

 

Orientierungssatz

Eine nur in den Akten vermerkte Regelung ist noch kein wirksamer Verwaltungsakt, auch wenn die Behörde ihre Entscheidung intern bereits abschließend bearbeitet hat.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2013 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Klägerin hat den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der Sache nach, ob der Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch: “der Beigeladene„) in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) (nachfolgend nur noch: “die Beigeladene„) in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. April 2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

Die Beigeladene ist eine offene Handelsgesellschaft. Ihre Gesellschafter sind der 1950 geborene A J L und die 1951 geborene I H, die Mutter des Beigeladenen. Dieser ist 1978 geboren und gelernter Automobilkaufmann. Er ist seit dem 1. März 2001 für die Beigeladene tätig. Vom 1. März 2001 bis zum 30. September 2007 war er Mitglied bei der Barmer Ersatzkasse. Vom 1. Oktober 2007 bis zum 29. Februar 2008 war er (freiwilliges) Mitglied der Beklagten, ab danach versicherte er sich privat.

Der Beigeladene beantragte am 27. September 2007 bei der Beklagten die Feststellung, in seiner Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht zu unterliegen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 fest, dass die vom Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sei.

Die Beigeladene trat daraufhin als Arbeitgeberin mit Wirkung ab 1. November 2007 einer Unterstützungskasse bei und zahlt seither zu Gunsten des Beigeladenen Beiträge in Höhe von 402 € monatlich.

Einen entsprechenden Antrag stellte der Beigeladene am 4. Juli 2008 auch bei der Barmer Ersatzkasse für den vorangegangenen Zeitraum vom 1. März 2001 bis 30. September 2007.

Die Barmer Ersatzkasse schaltete mit Schreiben vom 17. Juli 2008 die Klägerin in ihr Verfahren ein (Eingang bei der Klägerin am 28. Juli 2008). Sie selbst sei zwar der Auffassung, dass abhängige Beschäftigung vorliege. Die ab Oktober 2007 gewählte Krankenkasse gehe jedoch von selbständiger Tätigkeit aus. Ihres - der Barmer- Erachtens - müssten für die Zeit ab 1. Oktober 2007 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachgezahlt werden.

Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 5. August 2008 als Clearingstelle unter dem Betreff “Statusfeststellungsverfahren nach § 7a ff„ Sozialgesetzbuch Viertes Buch, keine gutachterliche Stellungnahme einreichen zu können.

Die Barmer schrieb unter dem 4. September 2008 an die Beklagte, der Auffassung zu sein, dass abhängige Beschäftigung vorliege.

Die Beklagte ihrerseits meldete sich mit Schreiben vom 8. Dezember 2008 (Eingang 10. Dezember 2008) bei der Klägerin “im Rahmen des Abstimmungsverfahrens„. Nach ihrer Auffassung sei der Beigeladene aufgrund familienhafter Mitarbeit ab 1. März 2001 nicht versicherungspflichtig tätig.

Beigefügt war dem Schreiben ein Bescheid gleichen Datums für die Zeit ab 1. März 2001 adressiert an den Beigeladenen. Diesem allerdings wurde dieser “Bescheid„ nicht übersandt. Im Verwaltungsvorgang der Beklagten ist das Adressfeld durchgestrichen. Dass es sich nur um einen Entwurf handelte, war der Anlage zum Schreiben vom 8. Dezember 2008 nicht zu entnehmen. Die Klägerin ging ausweislich eines Aktenvermerkes davon aus, dass ein Bescheid erteilt wurde.

Die Klägerin schrieb unter dem 27. Januar 2009 an die Beklagte, sich der Entscheidung der Barmer Ersatzkasse anzuschließen und den Beigeladenen ab 1. März 2001 als abhängig Beschäftigten bei der Beigeladenen einzustufen. Daraufhin nahm die Beklagte -nach vorangegangener Anhörung- mit Bescheid vom 24. März 2009 den Bescheid vom 1. Oktober 2007 zurück (“wir ziehen somit unseren Bescheid vom 1.10.2007 zurück„).

Der Beigeladene erhob durch seine Bevollmächtigte am 24. April 2009 Widerspruch

Mit Faxschreiben vom 15. Juni 2009 teilte die Beklagte daraufhin dem Beigeladenen mit, “dass wir Ihrem Widerspruch vom 24.04.09 abhelfen„.

Die Barmer Ersatzkasse informierte die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 2009, dass die Beklagte ihren Aufhebungsbescheid vom 24. März 2009 auf den Widerspruch hin wieder aufgehoben habe. Damit sei der Bescheid vom 1. Oktober 2007 bestandskräftig. Auf Nachfrage der Klägerin übersandte die Beklagte daraufhin an diese Abschriften des Bescheides vom 24. März 2009 un...

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