Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Voraussetzung der Anerkennung eines Tinnitus als eine Unfallfolge nach einem Schädeltrauma

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Trauma am Kopf (hier: Balltreffer) ist das Auftreten eines Tinnitus als Unfallfolge nur dann als wahrscheinlich unfallverursacht anzuerkennen, wenn neben einer starken Krafteinwirkung zugleich auch andere objektivierbare pathologische Befunde, wie etwa eine Hörstörung, Gleichgewichtsstörungen, neurologische Ausfälle oder eine Schädelbasisfraktur, aufgetreten sind. Dagegen ist das alleinige Auftreten eines Tinnitus nach einem Kopftrauma regelmäßig nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Dies gilt erst recht dann, wenn sich der Tinnitus nicht unmittelbar nach dem Unfall einstellte.

2. Einzelfall zur Beurteilung der Ursächlichkeit eines Arbeitsunfalls durch Anprall eines Balles an einen Schädel und einem danach erstmalig aufgetretenen Tinnitus.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. September 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente.

Die 1958 geborene Klägerin erlitt bei ihrer Tätigkeit als Erzieherin am 20. April 2004 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als sie auf dem Spielplatz der Station K 4 der Landesnervenklinik B von einem Kind einen Fußball gegen die linke Kopfseite bekam. Erstmals am 04. Mai 2004 suchte sie die Fachärztin für HNO-Heilkunde U auf und gab an, sie habe nach dem Unfall Kopfschmerzen, Ohrrauschen und ein Gefühl der Hörminderung links gehabt. Diesen Beschwerden habe sie zunächst keine Bedeutung beigemessen, ihre Arbeit fortgesetzt und sich bei andauernden Beschwerden zunächst beim Hausarzt Dr. N vorgestellt. Die Untersuchung des äußeren und des Mittelohres durch die HNO-Ärztin U (vgl. Befundbericht [BB] vom 03. Juni 2004) ergab keine Auffälligkeiten, das Tonaudiogramm zeigte links einen geringen Hochtonabfall bis 30 dB bei 6 kHz. Die Klägerin habe einen Tinnitus bei 1,5 kHz, sowie ein zusätzliches, nicht bestimmbares Geräusch um 8 kHz angegeben. Gegenüber dem Durchgangsarzt (DA) Dr. T, bei dem sich die Klägerin erst am 01. September 2004 vorstellte, gab sie an, dass Kopfschmerzen und Geräusche im Ohr erst 3 Tage nach dem Unfall aufgetreten seien, sie habe aber weiterhin Geräusche im Ohr, insbesondere in Ruhe. Als Erstdiagnose wurde ein Z. n. Prellung der linken Gesichtshälfte und Ohrgeräusche gestellt. Im Nachschaubericht vom 23. September 2004 teilte Dr. T mit, dass die Klägerin bei der Kontrolluntersuchung weiterhin ein Ohrensausen und -rauschen wechselnder Intensität beschrieben habe. Mit BB vom 25. Oktober 2004 (Untersuchung am 28. September 2004) teilte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W mit, dass es sich offensichtlich um eine traumatische Schädigung von Mittelohrstrukturen mit Tinnitus handele und eine differenzierte neurologische Diagnostik nicht erforderlich sei.

Gegenüber der Beklagten gab die Klägerin an (Schreiben vom 30. November 2004, Tinnitus-Fragebogen vom 27. April 2005), dass Ohrgeräusche, Kopfschmerzen und Gehörminderung am dritten Tag nach dem Unfall angefangen hätten. Das Ohrgeräusch (hohes Rauschen) habe in Lautstärke und Intensität zum Anfang variiert und sei seit ca. 3 Monaten konstant. Sie habe dadurch Schlafprobleme und Probleme im Ruhezustand, die Verständigung mit den Mitmenschen und die Konzentrationsfähigkeit seien eingeschränkt.

Die behandelnde HNO-Ärztin U teilte mit (BB___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xe vom 04. Dezember 2004, 10. und 28. Februar und 30. April 2005), dass in den Tonschwellenaudiogrammen eine Normalhörigkeit beidseits nachweisbar gewesen sei. Links liege bei 6000 Hz ein geringgradiger Hochtonabfall bis 25 - 30 dB vor (Audiogramme vom 04. Mai 2004 und 26. April 2005). Die Befunde betreffend Gehörgang, Trommelfell, Tuben, Nase, Nasenrachenraum seien unauffällig. Die Hirnstammaudiometrie (BERA) habe keine pathologischen interauralen Differenzen und keinen Anhalt für retrocochleäre Schäden ergeben. Die otoakustischen Emissionen seien links zwischen 1 und 3 kHz und rechts zwischen 1,5 und 6 kHz nachweisbar gewesen. Eine genaue Tinnitusbestimmung gelinge trotz schallisoliertem Raum und unter Kopfhörern nicht. Die Intensität wechsle wohl in Abhängigkeit der psychischen Verfassung, bei der Vorstellung am 21. September 2004 sei der Tinnitus am Abend und nachts wieder als sehr störend angegeben worden und im Dezember 2004 habe die Problematik einen Höhepunkt mit beginnender depressiver Verstimmung erreicht. Die Überweisung zur Psychotherapie sei abgelehnt worden. Ab Mitte Januar sei eine Stabilisierung der psychischen Situation erfolgt, die Klägerin habe Wohlbefinden und gute Toleranz des Tinnitus angegeben, die Geräusche würden akzeptiert, die Therapie sei beendet worden. Am 26. April 2005 sei der Tinnitus kaum wahrnehmbar gewesen. Er sei kompensiert und werde ...

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