Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Berücksichtigung einer Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung als Bedarf
Orientierungssatz
1. Eine Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung ist im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Monat der Fälligkeit vollständig als Bedarf zu berücksichtigen.
2. Ein Umzug eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in eine in Bezug auf Größe und Zuschnitt identische Wohnung in einer höheren Etage eines Mehrfamilienhauses ist regelmäßig nicht erforderlich, so dass eine Zustimmung des Grundsicherungsträgers nicht zu erfolgen hat.
3. Einzelfall zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten bei einer Nachforderung aus Betriebskostenabrechnung (hier: Angemessenheit bejaht).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2013 aufgehoben, soweit das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 537,12 € verurteilt hat.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt fünf Sechstel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachforderung für das Jahr 2011 iHv 602,38 €.
Die 1952 geborene, alleinstehende Klägerin steht bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Sie bewohnte bis zum 30. Juni 2010 eine genossenschaftliche Erdgeschosswohnung in der Lstraße in B mit einer Wohnfläche von 54,88 m² und mit einer monatlichen Bruttonutzungsgebühr iHv zuletzt 355,79 € (Grundmiete einschl. Modernisierungszuschlag 215,38 €, Vorauszahlung Heizkosten 76,71 €, Vorauszahlungen sonstige Betriebskosten 63,70 €). Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 1. März 2010 bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2010 für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. September 2010 monatlich Leistungen iHv insgesamt 708,- €, hiervon 349,- € als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU; 355,79 € abzgl einer Warmwasserpauschale iHv 6,79 €).
Die im Mai 2010 von der Klägerin beantragte Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für eine neue Wohnung im selben Haus in der Lstraße und in derselben Größe, jedoch im sechsten Obergeschoss (OG), lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 12. Mai 2010). Gleichzeitig teilte er mit, dass die KdU auch im Falle der Anmietung der neuen Wohnung nur in Höhe der Kosten für die bisherige Wohnung im Erdgeschoss übernommen würden. Am 1. Juli 2010 bezog die Klägerin dennoch die Wohnung in der sechsten Etage mit einer Gesamtnutzungsgebühr iHv monatlich 363,19 € (Nettokaltmiete monatlich = 241,51 €; Heizkostenvorauszahlung monatlich = 45,- €; sonstige Betriebskosten monatlich = 76,68 €). In der Folge bewilligte der Beklagte KdU-Leistungen ab 1. Oktober 2010 iHv monatlich 349,32 € (bis 31. Dezember 2010) bzw iHv monatlich 355,79 € (ab 1. Januar 2011), zuletzt mit Bescheid vom 31. August 2011 für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 und mit Bescheid vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2012 für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.
Im September 2012 beantragte die Klägerin die Übernahme der von ihrer Vermieterin geltend gemachten Betriebskostennachforderung für das Jahr 2011 aus der Abrechnung vom 15. August 2012 iHv 602,38 €. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 17. September 2012), da die Klägerin ohne Zustimmung umgezogen sei und deshalb nur die alten Mietkosten zu übernehmen seien. Den mit der Begründung eingelegten Widerspruch, auch die Miete für die Wohnung im 6. OG sei angemessen und deshalb von dem Beklagten zu übernehmen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2012 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2012 verpflichtet, den Bescheid vom 7. März 2012 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin für den Monat September 2012 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 602,38 € gewährt werden (Urteil vom 13. August 2013). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Änderung des Bewilligungsbescheides vom 7. März 2012 betreffend den Zeitraum September 2012 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) lägen vor, da eine wesentliche Änderung durch die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Betriebskostennachforderung für das Abrechnungsjahr 2011 eingetreten sei. Zwar sei der Umzug in die Wohnung im 6. OG nicht erforderlich gewesen, die Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) schließe die Übernahme der Kosten aus der Betriebskostenabrechnung jedoch nicht aus. Denn in den Bewilligungsbescheiden des Beklagten betreffend die KdU für die neue Wohnung finde sich ...